96 Strategien der Gestaltung von Computerspielmusik für Soundchips wird gezeichnet und in dem Moment, wo der Raster wieder hochgeht in die linke obere Position, um ein neues Bild zu zeichnen, was ja 50 mal die Sekun-de passiert bei einem PAL C64, konnte man den sog. Vertical Blank Interrupt ausnutzen. [. . . ] Die Interrupt-Routine rettet alle Prozessor-Register [. . . ] auf einen sogenannten Stack. Dann wird das Programm [. . . ] abgearbeitet. Und wenn das fertig ist, wird der ganze Kram wieder zurückgeholt, es springt praktisch zurück dahin, wo es unterbrochen wurde. Der Prozessor in dem Moment weiß gar nicht, dass er unterbrochen wurde, [. . . ] alle Register sind ja wieder so, wie sie waren.« (Hülsbeck 2005a) Nach der Abhängigkeit der musikalischen Gestaltung von der Interruptfrequenz gefragt, erläutert er: »Wenn man sich in diesem Vertical Blank Interrupt eingeklinkt hat, musste man mit den 50 Hz oder 60 Hz leben. Dann waren natürlich die Teiler [ent-scheidend]. Die Maximalgeschwindigkeit wären ja 50 [bzw. 60] Beats pro Se-kunde, [wenn] bei jedem Vertical Blank-Aufruf der Sequenzer einen Schritt weitergehen würde. Das ist natürlich viel zu schnell, da kann man keine sinn-volle Musik mit machen. Wenn man das teilt, z. B. jeden vierten oder jeden fünften [Interrupt], dann hat man schon eine vernünftige musikalische Ge-schwindigkeit. [. . . ] Ich erinnere mich noch, die Standard-Geschwindigkeiten, für den 4/4 Takt waren 90, 126 oder 150 BPM [. . . ] in denen ich meistens für die C64-Musik gearbeitet habe. [. . . ] [Z]u dem Zeitpunkt haben wir überhaupt nicht für die 60 Hz-Variante entwickelt, sondern hauptsächlich für Deutsch-land und Europa [als Hauptmärkte des Herstellers Rainbow Arts, N.D.] [. . . ]. Später hat man es entweder in Kauf genommen, dass das auf dem amerikani-schen Gerät einfach schneller läuft und einen anderen Pitch hat, es hat sich ja auch ausgewirkt auf die Tonhöhe, weil der Soundchip anders getaktet war [. . . ], oder es gab die Methode, alle sechs Durchläufe einen auszulassen, was dann allerdings ein bisschen hakelig war [. . . ]. Freie Timer Interrupts konnte man im Spiel nicht benutzen, das Problem bestand darin: Es war alles so ge-nau getimet. Beim Spiel hängt ja noch viel mehr am Vertical Blank Interrupt. Zum Beispiel wenn das smooth scrollen soll, muss alles in einem bestimmten Timing von statten gehen und man kann das nicht irgendwo unterbrechen. Die Spieleprogrammierer haben immer gefordert, dass man sich in den Ver-tical Blank einhängt und nicht mit einem Timer-Interrupt daherkommt. Der [. . . ] Timer-Interrupt besitzt eine höhere Priorität als der Vertical Blank [. . . ] und die Musikroutine braucht auch eine gewisse Rechenzeit, um ihren einen Zyklus abzuarbeiten. Das konnte man sich also nicht erlauben« (Hülsbeck 2005a). Die Abhängigkeit der Musik-Routinen von bestimmten Interrupts ist grundsätzlich für Spielmusik als gegeben anzusehen, auch wenn diese angesichts der Technologi-en in heutigen Computerspielen keinen großen Einfluss mehr auf die erklingende Musik nehmen dürfte. Auch die in Kapitel 2.6.1 erläuterten Programmierung des PC-Speakers, um Samples wiederzugeben, ist im starken Maße von den Zyklen der internen Bauteile abhängig. Neben den offensichtlichen Beschränkungen durch Architektur der Soundchips und ihrer Umgebung kommen also weitere technische Aspekte hinzu, welche die Programmierung/Komposition von Computerspielmusik für Soundchips nachhaltig determinieren.