3.4 Zwischenfazit: Computerspielmusik im Spiegel ihrer Paradigmen 97 3.4 Zwischenfazit: Computerspielmusik im Spiegel ihrer Paradigmen Musik für Computerspiele zwischen 1977 und 1994 ist bei ihrer Komposition und Programmierung nicht nur von den technischen Voraussetzungen abhängig, son-dern muss ebenso den formal-funktionalen Anforderungen ihrer Verwendung ent-sprechen. Diese werden einerseits vom Spielinhalt bedingt (Anzahl, Art und Ab-folge der integrierten Stücke). Andererseits dürfen die Musikdaten, v. a. auf den PSG-Soundchip-Plattformen, einen gewissen Speicherplatz und die entsprechen-den Musikroutinen die ihnen zugestandenen Ressourcen nicht überschreiten. Diese für Soundchip-Musik kritischen Beschränkungen müssen bei der Programmierung ständig berücksichtigt werden, womit sie großen Einfluss auf die Musik nehmen. Das klingende Musikstück muss also immer als Ergebnis der für eine bestimm-te technische Plattform mit eigenen Einschränkungen und Möglichkeiten erfolgten Programmierung begriffen werden. Sie ist damit in ihren medialen Nutzungszusam-menhang integriert und von diesem nicht ohne weiteres trennbar.59 Die Thematisierung der kreativen Programmierung bzw. der Komposition un-ter besonderer Berücksichtigung der technischen Einschränkungen scheint lohnens-wert, verweist sie doch auf die Arbeitsweise klassischer Komponisten, wie Pummell anmerkt: »We just had so many restrictions placed on us at that time. From a compo-sitional standpoint [. . . ] that limited power usually led to better compositions because [it’s] much of the same way the classical composers [had to work]. Take Bach for an example: He knew that: ›all I got to work with is this small chamber orchestra. I have 8 players and I know my Cello player is not very good. So I don’t write anything difficult for the Cello-player. Sonically I know what I have to work with.‹ [. . . ] [Y]ou deal with the talent that you’re given and you make the best out of it. From a compositional standpoint that tends to lead to good compositions.« (Pummell 2005) Dass bei der Komposition von Soundchip-Musik mit den Möglichkeiten und Begren-zungen auch der jeweiligen konkreten Hardware-Umgebung umgegangen werden muss, lässt aus einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Kompositions- und Produktionsprozess von Computerspielmusik schnell ein ausuferndes Unterfangen der wechselseitigen Betrachtung von Musik und (Computer-)Technik werden, wie die durch die Interviews gewonnenen Einblicke in die Komposition für Soundchips offenbaren. Abb. 3.1 thematisiert die Produktionskette von Soundchip-Musik für Computer-spiele. Zu beachten ist, dass bei der Programmierung für Soundchips eine Kom-position in Notenschrift nicht bei jedem Komponisten stattfand. Die vorgestellten technischen Limitierungen nehmen wie erläutert Einfluss auf die Musik. Dies kann schon bei der Komposition geschehen, wenn sie vom entsprechenden Komponisten 59 Erst seit der Entwicklung der sog. Emulatoren, also Programmen, die sich als Software ge-nau so verhalten, als ob sie eine entsprechende Hardware-Plattform seien und entsprechende Instruktionen verarbeiten können, und der damit verbundenen Archivierung von aus Spielen extrahierter (»gerippter«) Computerspielmusik ist diese von ihrem Nutzungszusammenhang befreit.