112 Populäre Soundchip-Musik Zugehörigen einer bestimmten Produktionskultur, als auch ein ordnendes, Orien-tierung bietendes für die Rezipienten der populären Musik und damit den Nutzer-gruppen. Für die Charakterisierung der populären Soundchip-Musik sind die ersten beiden Punkte Toynbees weniger Genre-spezifisch als die letzten beiden, weswegen auf sie nur kurz eingegangen wird. Die ökonomische Einstellung der Akteure basiert größtenteils auf dem soziokultu-rellen »Miteinander« (s. u.): Ihren historischen Wurzeln entsprechend ist populäre Soundchip-Musik i. d. R. frei verfügbar. Auch die zur Produktion von Soundchip- Musik benötigte Software wird überwiegend kostenlos angeboten. Dennoch existie-ren einige Kleinst-Labels, die populäre Soundchip-Musik auf physischen Tonträgern veröffentlichen.27 Auftretende Künstler lassen sich bei populärer Soundchip-Musik v. a. im Bereich der Micromusic ausmachen, die mit Chiptunes die Produktions-kultur im Hinblick auf die verwendeten Klangerzeuger teilt. Die soziokulturelle Dimension stellt für Soundchip-Musik allgemein ein wich-tiges Charakteristikum dar, wie die Vorstellung der Nutzergruppen gezeigt hat. Toynbee zufolge können popularmusikalische Genres auf bestimmte Gruppierun-gen, Gemeinschaften oder Bewegungen beschränkt bleiben, die einen ähnlichen kulturellen Hintergrund teilen (vgl. Toynbee 2000: 110f). Die Szene der populären Soundchip-Musik ist v. a. über das Internet organisiert, wo sie in verschiedenen Portalen/Communities rund um das jeweilige geteilte Haupt-Interesse zum Thema (Chiptunes, Demo-Szene, Emulation, Video Game Music als MIDI, Rip oder MP3) einen regen Austausch pflegt. Die Produktionskultur von Soundchip-Musik hat sich seit den Produktionsbe-dingungen im Rahmen ihrer Verwendung in Computerspielen stark verändert. So-wohl die vorgestellten, auf der Emulation von Soundchips basierenden PlugIns und Tracker, als auch die in den vergangenen Jahren allgemein erfolgte Entwicklung im Bereich der elektronischen, nun mehr digitalen Musikproduktion stellen für sie eine Grundvoraussetzung dar. Einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf die Verfügbar-keit der Produktionsmittel als auch den Charakter der Soundchip-Musik-Szene als soziokulturelle Bewegung markiert die meist freie Verfügbarkeit dieser Tools. Diese Haupt-Charakteristiken ziehen auch Implikationen für die erklingende Mu-sik nach sich: Der örtlich ungebundenen, vor allem durch das WWW organisierten und wenig hierarchischen Struktur dieser Szene entsprechend, ist grundsätzlich ei-ne große Bandbreite verschiedener musikalischer Stilistiken in Soundchip-Musik vertreten. So finden sich sowohl Polkas, Reggae- oder Country-Adaptionen, als auch dementsprechend instrumentierte Techno- oder Drum’n Bass-Tracks sowie experimentelle Musik und Cover-Versionen von Klassikern der Popmusik. Selbst zu kleinen Sparten der populären Musik wie ›Death Metal‹ finden sich z. B. in der High Voltage SID-Collection entsprechende Adaptionen. Außer den in Kapitel 3.3 erwähnten kompositorischen Folgen aus den Beschränkungen für Computer-spielmusik, die v. a. in Form einer auf musikalischen Formen basierenden »Sound Culture« in die populäre Soundchip-Musik einfließen (so basieren Polka- als auch Reggae-Akkorde i. d. R. auf den schnellen Arpeggien), sowie einem häufig zu kon- 27 Wie Bleepstreet, Rebel Pet Set, Jenka Music, Relax Beat, Pen Pal Recordings, Musikfladen etc.. Der Begriff ›Kleinst-Labels‹ markiert hierbei den wenig kommerziellen Charakter der meist als Hobby-Projekte geführten Labels.