- 23 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Erinnerungspunkt bilden.

Von einem quantitativen Gesichtspunkt aus, in dem – in Anlehnung an die berühmte Definition von Abraham Moles in seiner Ästhetik- und Informationstheorie15

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Abraham Moles 1971 (dt), Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung. DuMont Verlag Schauberg.
, welcher das Produkt aus Musikhör-Stunden mal Hörerzahl zur Messung diente – würde wohl die Rock- und Popmusik am ehesten den Titel einer Global oder World Music verdienen, wenn man die durchaus unterschiedlichen Färbungen, die sie in verschiedenen Nationen bzw. Kulturen annimmt, vernachlässigt.

Global Music kann bzw. muß aber nicht nur im Sinne eines weltweit einheitlichen Musikstils – oder Verständnisses von Musik – aufgefaßt werden. Vielmehr macht das Schlagwort mehr Sinn, wenn man es im Sinne des gleichwertig Nebeneinander-Existierens aller vorhandenen inklusive der historischen Musikstile auffaßt. Global betrachtet finden wir in allen Kulturen Formen des Musizierens, wobei das gemeinsame Musizieren in einer Gruppe zu den häufigsten Formen gehört. Ob Schwarzwaldverein oder Heide-Musikanten, Gamelan-Orchester oder Eskimo-Wechselgesang, American Brass Band oder Musik der Aborigines, Musizieren in Gruppen findet sich überall.

Demgegenüber ist das musizierende Individuum in vielen Kulturen begrenzt auf religiös-rituelle Funktionen etwa eines Schamanen, Priesters oder Kriegsfürsten. Die starke Ausprägung des musizierenden Individuums, wie sie uns selbstverständlich erscheint, ist begrenzt auf Kulturen mit einer entsprechenden Betonung des Individuellen wie z. B. der griechisch-antiken und unserer eigenen. Aber auch der einsam musizierende Mensch bleibt immer eingebunden in den sozialen Kontext seiner Vergangenheit.

In diesem gleichwertig Nebeneinander-Stehen all der Tausenden von verschiedenen Musikformen allerdings liegt der Hase im Pfeffer. Denn es ist leider unleugbares Faktum, daß Angehörige einer Kultur immer die Tendenz haben, die eigene Kultur mit allen Tributen höher zu stellen als alle anderen. Dies scheint unter anderem nötig zu sein, um die identitätsstiftende Funktion von Kultur aufrecht zu erhalten. Es hat zur Folge, daß eine gleichwertige, eine gleich wertende Betrachtungsweise sehr schwer wird, selbst wenn sie durchaus angestrebt wird.

Das Bewußtsein über die unvermeidlich eurozentrische Sichtweise – im Verbund mit einer gewissen Werte-Orientierungslosigkeit – hat ja in Teilen der westlichen Intelligenzia dazu geführt, daß das Pendel ins Gegenteil ausschlägt und alles bewundert wird, was nicht-westlich ist und auf Gegenposition zu westlichen Werten steht. Wunschtraum oder Alptraum, wäre also zu fragen, wenn von Global Music die Rede ist.

Gleichzeitigkeit und Ubiquität von allen Musikarten bedeutet unvermeidlich eine Beeinflussung in allen Richtungen. Ein europäischer Musiker, der zum ersten Mal eine javanische Gamelanmusik hört – ich denke an das Beispiel Debussy – ist nicht mehr der gleiche wie vorher und umgekehrt ist ein Musiker aus Java nicht mehr derjenige, der er vor dem ersten Anhören westlicher Musik war. Ähnlich wie das Prinzip der Heisenbergschen Unschärferelation in der Physik gilt auch in der Musik, daß bereits das bloße Anhören einer exotischen Musik in die beobachtete Musik eingreift und sie verändert. Für einen Stammesangehörigen, dessen Musizie-


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