MIDI-Playback zu „Beinhart wie’n Rocker“ (Titelmelodie aus dem
„Werner“-Film) genommen, per Knopfdruck von original B-Dur eine Sexte aufwärts
nach G-Dur transponiert und hatte so in der Melodie die Töne H, A, G und in der
Erweiterung das C. Da diese Töne alle mit der linken Hand zu spielen sind, war das
der ideale Einstieg. Die Noten der Melodie konnten nun ausgedruckt werden
(Noten lernen!), und nach der notwendigen Einführung der ersten Griffe mußten
(besser: durften) die Schüler zum entsprechend im Tempo reduzierten Playback
dazuspielen. Später wurde das Tempo entsprechend bis zum Originaltempo
gesteigert. Das Verfahren habe ich dann noch mit etlichen anderen Pop-Titeln
entsprechend wiederholt, wobei jedesmal der Tonraum und die Rhythmik erweitert
wurden.
Mit diesem Verfahren wurden alle möglichen Ziele gleichzeitig verfolgt: Motivation
erhalten und steigern, Tonraum des Instruments schrittweise erarbeiten und festigen,
rhythmische Sicherheit festigen, Fingerfertigkeit steigern und gleichzeitig von der
Begleitung durch das Playback in eine bestimmte Blastechnik gezwungen zu werden,
ohne das diese besonders problematisiert werden mußte. Zusätzlich wurde durch die
Sekundärmotivation des Playbacks die Aufmerksamkeit der Schüler so umgelenkt, daß
sie nicht darauf achteten, wie sich ihr eigenes Spielen zunächst anhörte. Sie waren nur
auf ihre Tätigkeit konzentriert. Dieser Effekt ist wie beim Karaoke-Singen nicht zu
unterschätzen.
Spinnt man diesen Faden weiter, so sind alle erdenklichen Spielformen auch für den
Unterricht mit anderen Instrumenten einsetzbar. Die musikpädagogische Souveränität
erwächst auch hier wieder der Medienkompetenz des Lehrers. Er macht sich dabei den
Computer zum Werkzeug seiner eigenen Ziele.
2.2.4 Der kognitive Bereich
Im kognitiven Bereich der Erarbeitung musikalischer Strukturen gibt es ganz andere
Möglichkeiten. Hierbei hilft der Rechner durch Änderung des Klangbildes und der
Instrumentierung den Wahrnehmungshorizont der Schüler zu erweitern.
Walter Carlos hat 1969 mit seinen Einspielungen Bachscher Werke auf dem
Moog-Synthesizer den Anstoß gegeben. Man weise beispielsweise den Stimmen einer
Fuge spezielle Klänge zu, die voneinander völlig verschieden sind und schon läßt sich der
Verlauf und die Struktur der Komposition wesentlich besser verfolgen. Ggf. läßt sich das
Hörerlebnis durch die synchrone Notendarstellung ergänzen. Das notwendige Repertoire
von MIDI-Einspielungen, auch klassischer Musik, ist fast beliebig im Internet zu
beschaffen.
Sequenzerprogramme sind dazu prädestiniert, mit eingespieltem musikalischen
Material zu arbeiten. Ohne eine Note an die Tafel schreiben zu müssen, sind per
Mausklick alle möglichen herkömmlichen kompositorischen Techniken nachzuvollziehen
und gleichzeitig hörbar und im Notenbild zu erleben: Wiederholungen, Wiederholungen
auf einer anderen Stufe, Umkehrungen, Spiegelungen, Kanonbildung, Verarbeitung von
Themen oder Motiven. Alles ist per virtueller Schere, Pinsel und Klebetube
machbar.
Die ständig verfügbare Kombination von auditiver und visueller Darstellung in
verschiedenen Formen (Tastenanzeige, Griffbretteinblendung, Notenschrift,
Tabulatoren, Partituren) verbunden mit einer Echtzeitablaufanzeige ist aus Sicht der
Pädagogik ein Glücksfall, der längst nicht in allen Lernbereichen so möglich ist.