- 90 -Enders, Bernd / Stange-Elbe, Joachim (Hrsg.): Global Village - Global Brain - Global Music 
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Anima als Bindeglied zwischen Global Village and Global Brain

Eberhard Schoener

Als ich die Einladung annahm, heute hier über „Global Village, Global Brain und Global Music“ zu referieren, war mir noch nicht ganz klar, daß es sich doch um ein sehr komplexes, fundamentales Thema handeln würde. Daß dies entweder wissenschaftlicher Genauigkeit bedarf, oder es, und dafür habe ich mich aus gutem Grund entschieden, eine subjektive Darstellung meiner Beobachtungen und Erfahrungen als Dirigent und Komponist sein muß. Lassen Sie mich zunächst einen Schritt zurückgehen, einen Blick zurückwerfen in die 50er/60er Jahre, als die Aufnahmetechnik revolutioniert wurde, Stereo löste Mono ab, das Rauschunterdrückungssystem Dolby wurde entwickelt. Das Fernsehen übertrug die ersten Musik-Live-Groß-Ereignisse, das Wohnzimmer wurde zum Konzertsaal. Damals gab es zum ersten mal ein Publikum, das zwar nicht mehr am eigentlichen Ort des Geschehens war, aber in Gruppen am Fernseher das Ereignis verfolgte, z. B. Rockpalast oder meine eigenen Klassik-Rock-Nächte. Es bildete sich das, was man heute Communities nennt.

Der große Dirigent Herbert von Karajan nutzte diese neuen technischen Möglichkeiten in den 60er Jahren und wurde gleichzeitig ihr Opfer. Die Technikgläubigkeit überdeckte die Interpretation. Filmaufnahmen, die mit bereits produzierten Musikaufnahmen von dem Franzosen Clousseau ohne Orchester gemacht wurden, nahmen daher diesen Produktionen ihre künstlerische Glaubwürdigkeit, Dirigierexstase beispielsweise bei seinen Beethovensinfonien wurde dadurch zur reinen Pose, denn die Technik dominierte, nicht die Interpretation. Der Dirigent Sergiu Celebidache dagegen lehnte bis zuletzt Schallplattenaufnahmen ab, weil er der Meinung war, die Phänomenologie der Musik sei technisch nicht nachvollziehbar. Daß es heute nach seinem Tod Mitschnitte auf CD gibt, halte ich nach seiner doch sehr konsequenten Haltung, für sehr fragwürdig. Nach diesem Ausflug in die 50er/60er Jahre werden Sie sich möglicherweise fragen, was denn diese Rückblende mit „Global Village – Global Brain“ zu tun hat, aber heute ist nicht mehr das Wohnzimmer, sondern das Internet Konzertsaal, Kommunikationsebene, Studio und Informationszentrum.

Ich glaube, wir sind auch heute wieder an einer vergleichbaren Schnittstelle angelangt, an der Technikgläubigkeit den Verlust musikalischer Inhalte beinhalten kann. Daß – wie Celebidache es nannte – die Phänomenologie auf der Strecke zu bleiben droht. Daß die Realisation die Botschaft ist, und nicht das, was ich mit „Anima“ umschreiben möchte, nämlich die Inspiration, die Emotion, Seele, Spannung.

Daß die Rechner die Phantasie dominieren, ist eine große Gefahr, kann aber wenn man das Global Village als „wirklichen“ Weltinnenraum sieht, – wo die Phan-


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