- 158 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Handlungsfeld der menschlichen emotio, der Computer als Exponat der menschlichen ratio.

Jedoch macht eine derartig zugespitzte, nicht selten ideologisch aufgeheizte Polarisierung wenig Sinn, denn schon bei flüchtiger Betrachtung muß auffallen, daß ein musikalisch eingesetzter Computer lediglich ein Gerät, ein Instrument, in der Hand des schöpferisch tätigen Menschen ist, ein Gerät, das wie der Bleistift in der Hand des Komponisten oder die Violine in der Hand des Instrumentalisten ausschließlich dazu dient, musikalische Gedanken, Empfindungen, Ideen festzuhalten oder zum Klingen zu bringen.

Lediglich die enorme Flexibilität und funktionale Vielfalt des Computers bei der Generierung, Speicherung und Verarbeitung von musikalischen Informationen aller Art ist neu, auch wenn die Geschichte des Musikinstruments durchaus technische Lösungen kennt, die zumindest partiell bestimmte Fähigkeiten des Musikcomputers, beispielsweise die automatische Steuerung von Klangprozessen bei mechanischen Musikautomaten, vorwegnehmen.

Seit der Einführung der MIDI-Technik, die es ermöglicht, Musikinstrumente und Geräte miteinander zu vernetzen, um musikalische Informationen auszutauschen, übernahm der Computer sehr rasch eine zentrale Rolle bei der Produktion von Musik in den modernen Soundstudios. Mittlerweile lassen sich nicht nur elektronische Instrumente mit dem Computer als Steuerzentrale verbinden, sondern auch rein mechanische ("akustische") Instrumente senden MIDI-kompatible Befehle, und es gibt Flügel und Klaviere, die das computergespeicherte Spiel auch automatisch wiedergeben können, ähnlich wie die elektrisch gesteuerten Klaviere und Orgeln um die Jahrhundertwende.      

Beim KlangArt-Kongreß spielte ein via MIDI vom Computer gesteuertes Diskettenklavier die von unserem Programm generierten Blues-Titel. Die auf der beiliegenden CD zu hörenden Klangbeispiele sind mit dem Diskettenklavier eingespielte Resultate einer "Blues-Berechnung" des hier beschriebenen Programms.


Jedoch galten die ersten Versuche, den Computer musikalisch zu nutzen, nicht der Automatisierung von musikalischen Vorgängen, sondern dienten der Erzeugung musikalischer Strukturen, d.h. es wurden zuallererst Versuche gemacht, den Computer als Kompositionsmaschine einzusetzen. Bereits 1957 wurde in Illinois ein Werk uraufgeführt, das mit Unterstützung eines Rechners entstanden war. Lejaren A. Hiller und Leonard Isaacson stießen bei der Beschreibung chemischer Prozesse auf die sogenannten Markov-Prozesse, die als formale Beschreibungsmodelle für bestimmte stochastische Vorgänge, z.B. in der Thermodynamik, dienen können.

Die beobachteten Gesetzmäßigkeiten transferierten Hiller und Isaacson über eine informationstheoretische Umformung auf musikalische Prozesse. Aber auch musiktheoretische Regeln, die mit Hilfe der informationstheoretischen Analyse historischer Stilmerkmale ermittelt wurden, dienten als Basismaterial bei der Ausformulierung der komponierenden Programmroutinen. So entstand die berühmte Illiac-Suite für


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