- 189 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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1. Impulserzeugte Spektren


Die Idee, bei der Klangsynthese von Impulsfolgen auszugehen, ist naheliegend und vorteilhaft. Sie ist naheliegend, wenn man sich die Funktionsweise von Musikinstrumenten ansieht. Sie ist vorteilhaft, weil die unten näher erläuterte Minimax-Regel berücksichtigt wird, die besagt, daß sich die komplexen Zusammenhänge bei der Klangerzeugung in statu nascendi am besten und mit geringem Aufwand steuern lassen.

Wenn man sich nämlich überlegt, wie Musikinstrumente funktionieren, kommt man sehr schnell selbst zu der Überzeugung, daß alle Anregung von Musikinstrumenten impulsförmig geschieht. Das ist für die Schlaginstrumente ganz offensichtlich; aber es gilt natürlich auch für Klavier, Cembalo und das Cymbal beispielsweise, bei dem man auch noch richtig sehen kann, wie die Saite angeschlagen wird. Doch auch der Anzupfvorgang beim Cembalo muß der impulsförmigen Anregung zugeordnet werden. Denn es handelt sich tatsächlich um einen ruckartigen Vorgang, wenn das Plektrum auf die Saite trifft, und dann nochmals, wenn sie von ihm wieder herunterrutscht, wodurch die Saite schlagartig in Bewegung gesetzt wird.

Für die Impulsanregung mit einzelnen Impulsen ist typisch, daß sogleich nach dem Einschwingvorgang der Abklingvorgang einsetzt. Alle anderen Instrumente, die demgegenüber einen stationären Klang hervorbringen, den wir aus später einsichtigen Gründen besser einen "quasi-stationären" nennen wollen, benutzen zur Aufrechterhaltung der Schwingung wiederholte Impulse, und zwar periodisch wiederholte Impulse im Takt der Frequenz des Grundtons. Wir können uns das bei der gestrichenen Saite z. B. so vorstellen, daß die Saite vom Bogen ein paar 100mal in der Sekunde angezupft wird. Es ergibt sich eine periodische Schwingung, für die die Bedingung gilt, daß die Saite einerseits, während der Haftphase, mitgenommen wird durch die Bogenhaare und andererseits, in der Gleitphase, tun kann, was sie will. Sie gleitet der Theorie nach gleichmäßig unter dem Bogen zurück. Sie muß nur der Bedingung genügen, während der Haftphase mit dem Bogen dessen gleichmäßige Bewegung mitzumachen.

Lothar Cremer, Physik der Geige, Stuttgart 1981, S. 16


Das bedeutet aber, daß der Saite im jeweiligen Abstand einer Periode kleine Energieportionen zugeführt werden, ein Vorgang, der dem Anheben der Saite durch das Plektrum mit nachfolgendem Abrutschen beim Cembalo vergleichbar ist und den wir uns in etwa als ein wiederholtes Anzupfen der Saite durch die Bogenhaare vorstellen dürfen.

Daß dieses wiederholte Anstoßen der Schwingung, oder, bei den Rohrblattinstrumenten, das wiederholte Einstoßen von Luftimpulsen in die Musikinstrumente von Periode zu Periode nicht hundertprozentig gleich sein kann, sondern von Millisekunde zu Millisekunde minimale Unterschiede aufweist, ist dann offensichtlich. Daß die dadurch hervorgerufene minimale Variation der Schwingungsform sich zunächst und


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