- 290 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
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Michael Karbaum kreiste diese Problematik ein: Es gibt den Begriff der freien Benutzung und es gibt auch den Begriff des Zitierens im Urheberrechtsgesetz. Unter sehr engen Voraussetzungen ist es zulässig zu zitieren, wenn sie - bleiben wir im musikalischen Bereich - eigenschöpferische Leistungen vollbringen. Es muß freilich sich auf den Zitatcharakter beschränken. Es muß auch angeführt werden und es darf nicht so sein, daß, wie beispielsweise in der Popularmusik, eine ganze Melodie einem neuen Werk sozusagen gleicher Form und Faktur über- oder unterlegt wird. Das wäre ein Mißverständnis, den Zitatbegriff sozusagen unzulässigerweise auszudehnen auf das Großzitat, auf die vollständige Melodie. Das Zitieren in diesem Bereich und damit ein Fall von freier Benutzung, der eben einen sehr hohen eigenschöpferischen Anteil in selbständigen Werken, die am Ende daraus entstehen müssen, erkennen lassen muß, ist zulässig, entspricht auch der Praxis, und weder der Gesetzgeber noch die GEMA will verhindern, den musikalischen Fortschritt auf diese Weise voranzutreiben.



Fazit


Obwohl die Diskussion belegte, daß ein hoher Informationsbedarf zwischen den einzelnen diskutierenden Parteien besteht, der juristischen und musikwissenschaftlichen, der produzierenden und verwaltenden, so sind die urheberrechtlichen Probleme doch eigentlich durch die neuen Technologien nicht neu geschaffen, sondern allenfalls zugespitzt durch die technische Vereinfachung des Übernehmens musikalischen Materials.

Es zeigte sich ferner, daß die Probleme von seiten der Praktiker - der Produzenten, der GEMA und der Rechtsanwälte - eigentlich ganz gut in den Griff zu bekommen sind, während die beiden weiter außen stehenden wissenschaftlichen Parteien - die juristische und die musikwissenschaftliche - gegenwärtig eher weniger zur Problemlösung beitragen können.

Die juristische Seite zielte in der Diskussion zu sehr auf ökonomische Aspekte ab, die aber die GEMA ihrerseits in der Praxis zu lösen in der Lage scheint, während juristische Antworten auf persönlichkeitsrechtliche Fragen weniger gegeben werden konnten.

Die Musikwissenschaft scheint derzeit nicht in der Lage, das kreative Moment eines musikalischen Partikels - als einzig schützenswertes Phänomen - mit exakten Kategorien zu bemessen. Hier zeigt sich ein Desiderat der systematischen Forschung zwischen Musikästhetik, Musikpsychologie und Musiktechnologie.


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