- 292 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II 
  Erste Seite (3) Vorherige Seite (291)Nächste Seite (293) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


Tatsächlich stammt der Text aus dem Jahre 1624, aus dem utopischem Fragment Nova Atlantis des englischen Staatsmannes Francis Bacon.

Eine Übersetzung aus dem Jahre 1960 versucht sich - philologisch korrekt - den Denkvorstellungen des 17. Jahrhunderts anzunähern, so daß Unsicherheiten über die zeitliche Zuordnung des Textes gar nicht erst auftreten.      

Francis Bacon (gest. 1626), Fragment Neu Atlantis (1624, erstmals veröffentl. 1838), in: Der utopische Staat, Morus, Utopia; Campanella, Sonnenstaat; Bacon, Neu-Atlantis, hg. v. Kl. J. Heinisch, Reinbek 1960, S. 211; dort heißt es:

Wir haben auch akustische Werkstätten, wo wir alle Töne und ihre Erzeugungsarten untersuchen underforschen. Wir kennen Harmonien, die bei euch nicht üblich sind, indem wir nicht nur jenes harte und weiche Beta wie ihr mischen, sondern auch die Viertel der Töne und gewisse sehr zarte Tremolos. Wirbesitzen Musikinstrumente, die euch noch nicht bekannt sind; einige davon bringen eine zarte Musikhervor, schöner als die eure. (Auch Glocken und Schellen von angenehmstem Klange haben wir. Wirerzeugen dünne Töne sowie zarte und volle, volle auf gleiche Weise wie dünne und scharfe.)

Ferner rufen wir viele Schwankungen aus Tönen hervor, die ursprünglich einfach sind. Wir erzeugen alleartikulierten Laute und Buchstaben und ahmen sie künstlich nach, ebenso alle Stimmen und Laute derSäugetiere und Vögel.

Wir haben ferner Hilfsmittel für das Gehör, die, an die Ohren gebracht, den Sinn selbst sowie die lautlicheÜbertragung unterstützen. Wir haben auch viele wunderbare und kunstvolle Schallreflektoren,die ihr Echo nennt und die die Stimme nicht nur vielfältig zurückwerfen, sondern sie einerseits auchverstärken, andrerseits aber schwächen, ferner einige, die den artikulierten Laut anders, als erursprünglich ist, wiedergeben. Wir haben schließlich Mittel, Töne durch Rohre und andere Hohlräume,sogar auf gewundenen Wegen, zu übertragen.


In Bacons frühaufklärerischem Text steht das empirische Forschungsinteresse im Vordergrund. Von einer Anwendung der Ergebnisse oder gar einer musikpädagogischen Umsetzung im Sinne einer offenen ästhetischen Erziehung kann natürlich schon deswegen keine Rede sein, weil sich Musikunterricht allenfalls aus der Vorbereitung auf die kirchliche oder höfische Sing- und Musizierpraxis definierte. So argumentierte Bacon in weniger utopischen Schriften vorerst nur für die Überprüfung der zur Routine gewordenen Unterrichtspraxis, die gerade um die Wende zum 17. Jahrhundert zum Problem geworden war.

Bacon fand, daß sie theoretisch schwach begründet sei und sich auf gewisse nutzlose mystische Spitzfindigkeiten ohne viel Wahrheitsgehalt reduziere. - ...alles steht dem Fortschritt des Wissens feindlich entgegen. Lektionen und Übungen sind so angelegt, daß schwerlich jemand dazu kommt, über irgend etwas außerhalb der üblichen Routine nachzudenken.      

Francis Bacon, Novum organum und Sylva sylvarum; zit. bei Bernarr Rainbow, Music in educationalthought and practice, Aberystwyth 1989, S. 68


Wenn Utopien auch nur den Kern gedachter Möglichkeiten enthalten, so bleibt die plastische Vorstellungskraft Bacons für solche technischen Sachverhalte faszinierend, die zum Teil erst über drei Jahrhunderte später realisiert werden konnten. Daß das Denkbare inzwischen zum Machbaren geworden ist, bedeutet allerdings noch nicht,


Erste Seite (3) Vorherige Seite (291)Nächste Seite (293) Letzte Seite (381)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 292 -Enders, Bernd (Hrsg.): KlangArt-Kongreß 1993: Neue Musiktechnologie II