6 Bernd Enders, Jürgen Oberschmidt, Gerhard Schmitt Diskurses wäre eventuell noch nachvollziehbar, wenn Medienwissenschaft sich vor-rangig den direkt durch Medientechnologien hervorgerufenen Künsten (z. B. Videokunst; experimenteller Film) widmen würde, aber nicht dann, wenn auch Sprache, Schrift, Gestik, Malerei als Medien gelten, die ähnlich wie die Musik zunächst einmal ohne moderne Medientechnologien entstanden sind.Werner Jauk geht sogar so weit, dass er einen Paradigmenwechsel der Dis–kussion um neue Medienkünste fordert, da sie wichtige Phänomene der aktuellen Mediatisierungsprozesse (als Entfernung von der Körperlichkeit, im Pop und in der Computermusik aber neue Formen der Körperlichkeit, » embodiment « ent-wickelnd), wie sie sich vital in der heutigen popular culture oder allgemeiner: digital culture aufzeigen lassen.7 Moderne Medienentwicklungen, die sich durch zunehmende Digitalität und in-folgedessen durch stärkere Formalisierung und Abstraktion der Informationsüber-tragung auszeichnen, werden bevorzugt mit Metaphern beschrieben (Datenauto-bahn, Cyberspace, Internet), hierin durchaus alten Denk- und Sprachmustern der Musik vergleichbar, der virtuellsten und füchtigsten aller Künste, wenn aufgrund ihrer Eigenheit als vorrangig auditiver Kunst » anschauliche « Begriffe fehlen und daher metaphorisch z.B. von Tonraum, Chromatik oder Tondichtung gesprochen wird.Die verschiedenen Vertreter der jüngeren Medienwissenschaften haben mit hete-rogenen Theorieansätzen und babylonisches Ausmaß annehmenden Begriffswirr-warr dafür gesorgt, dass der Terminus Medium (im Singular wie im Plural verwen-det) mitsamt seinen zahlreichen Ableitungen sich zu einer ›Metapher‹ für alle nur irgendwie denkbaren Vermittlungs-, Übertragungs- und Kommunikationsprozesse entwickelt hat, deren Gebrauch sich allerdings häu g überlappt, deckt, ausschließt oder gar widerspricht. Es fällt z.B. schwer, die de nitorischen Unterschiede zwi-schen Medialität, Intermedialität, Intramedium, Inframedialität, Multimedialität, Transme-dialität präzise zu entdecken.In einer kürzlich erschienen Publikation 8 ndet sich eine zugespitzte Zusam-menstellung von Dingen, die von den führenden Autoren der Medientheorie als Medium de niert wird: ein Stuhl, ein Rad, ein Spiegel (McLuhan), eine Schulklasse, ein Fußball, ein Wartezimmer (Flusser), das Wahlsystem, der Generalstreik, die Stra-ße (Baudrillard), ein Pferd, das Dromedar, der Elefant (Virilio), das Grammophon, der Film, die Schreibmaschine (Kittler), Geld, Macht und Einfuss (Parsons), Kunst, Glaube und Liebe (Luhmann). Im Prinzip kann zusammenfassend alles Mögliche als Medium bestimmt werden, eine ungünstige Situation für eine solide wissen-schaftliche Auseinandersetzung. Musik wird jedoch in diesem Zusammenhang hier nicht aufgeführt!Auch die Metapher selbst wird als ein Medium bestimmt und es gibt in der Tat Parallelen zwischen dem Wissen (oder nur Information?) » vermittelnden « Medium 7 Werner Jauk: pop/music + medien/kunst. Der musikalisierte Alltag der digital culture, Osnabrück, S. 365–367.8 Stefan Münker, Alexander Rösler, Hrsg.: Was ist ein Medium? Frankfurt a. M. 2008.