22 Gerhard Schmitt Es handelt sich um ein CDM, wobei in dieser Textur gleich mehrerer Symbolsyste-me aktiv sind: Der Blick richtet sich zunächst auf die zweidimensional skizzierte Darstellung eines imaginierten energetischen Prozesses (ein Feuerwerk und seine Geräusche); er setzt ein spezi sches Verstehen (eben dieses Prozesses) seitens des Komponisten voraus und markiert zudem den Ausgangspunkt zum analytischen Verstehen seitens des Analysierenden. Das von Schnebel realisierte CDM ist mit den ontologischen Erfahrungen STEIGEN und FALLEN verknüpft und exempli ziert in seiner konkreten symbolischen Gestaltung die ›buchstäblichen‹ Merkmale der ein-zelnen Linienverläufe (nach oben/ unten bzw. aufsteigen/ abfallen), die wiederum das Merkmal der energetischen Prozesse ›metaphorisch‹ denotieren. Von einer Laut-geste getragen, zeichnet sich eine kontinuierlich sinkende Kontur ab (T. 17–20), de-ren Affrikaten (Verbindung aus Positiv und Frikativ) und helle Vokale das Lautbild realer Geräusche nachahmen. Mit Bezug auf die Symbolsysteme bedeutet das:1.das abstrakte Bild als Textur eines konkreten Energieverlaufs (Symbolsys-tem GraKsche Darstellung)2.die doppelte Verknüpfung der daraus resultierenden Vorstellungsakte mit den nichtmetaphorischen Konzepten FEUERWERK (konkret) sowie ENER-GIE (abstrakt) und den Erfahrungen STEIGEN und FALLEN zum meta-phorischen Konzept ›FEUERWERK-IST-ENERGIE‹3.die Referenz dieses metaphorischen Konzepts auf assoziierte körperliche Erfahrungen und bildhafte Vorstellungen sowie (im Falle der Ausführen-den) leiblich-akustische Präsenz und Involviertheit (sinnlich-symbolische In-teraktionsformen)4.die zeitgleichen Prozesse des Verstehens resp. sprachlichen Realisierung des Analyseinhalts in einem diskursiven Text auf dem Bildschirm des Ana-lysierenden (Symbolsystem Sprache, sprach-symbolische Interaktionsfor-men). Schnebels künstlerische Metaphorik besteht aus der Verknüpfung einer sinkenden Kontur und einer referierenden Semantik – ein imaginativ-szenisches Verstehen ist Voraussetzung des Verstehens, ohne das weder die Akteure noch das Publikum oder der Analysierende diese Metapher verstehen würden. Die kognitive Meta-pherntheorie ist hier unerlässlicher Besatzteil der Analysesystematik. Der andere be-steht aus sehr differenzierten, symboltheoretischen Anwendungen. Es handelt sich also um einen interdisziplinären Ansatz, dessen Relevanz in der vielversprechenden Anwendbarkeit seiner Mittel liegt. Diese bestehen in der systematischen und ein-heitlichen Entfaltung der mit den Symbolebenen verknüpften semantischen Funk-tionen auf einem terminologisch befestigten Grund. Dieser Aufsatz gestattete sich angesichts der Weite des Feldes einen lediglich kleinen Überblick über die verschie-denen wissenschaftlichen Bereiche, in denen die Metapher anzutreffen ist. Die nun folgenden Beiträge erweitern diese Perspektive um je spezi sche Teilaspekte.