26 Barbara Dehm-Gauwerky als Erinnerungsspuren in die leib-seelische Organisation des Kindes ein. Sie können allerdings aus der Subjektkonstitution und dem Bewusstsein aufgrund von ver-schiedenen Abwehrmechanismen ausgeschlossen bleiben oder werden. Dann wie-derholen sie sich sowohl in der psychoanalytischen Situation zwischen Analytiker und Analysand als auch in seinen anderen Bezügen. Das ist mit Übertragung und Wiederholungszwang gemeint. Die Ausdrucks gur meint in der klassischen Psy-choanalyse die sprachliche Formulierung einer solchen Re-Inszenierung, z. B. einen Satz. Lorenzer spricht hier von einer sprachsymbolischen Interaktionsform. Die Er-kenntnis ist im vorliegenden Fall sprachlicher Art. Das Evidenzerleben allerdings nicht. Es ist ein Gewahrwerden von Passendem. Lorenzer spricht von einem Ge-staltschluss. Solche Einigungen sind nicht auf sprachliche Formulierungen be-schränkt.Ausdrücklich schließt Lorenzer in den Prozess des szenischen Verstehens die präsentativen Symbolbildungen mit ein. Der Begriff präsentatives Symbol stammt von Susanne Langer.16 Langers Symbolismus wurde in jüngster Zeit wiederentdeckt beispielsweise von Dietmut Niedecken 17 , Maria Becker 18 , Christel Böhme-Bloem 19 und vielen anderen sowie in Auseinandersetzung mit dem Symbolismus Nelson Goodmans 20 auch von Katrin Eggers.21 Langer stellt die präsentativen Symbole den diskursiven Symbolen gegenüber. Wenn auch diese Gegenüberstellung eine ktive ist, d. h. ein Diskurs ohne eine irgendwie geartete Präsentation nicht möglich ist – ebenso wie eine Präsentation ohne einen diskursiven Kontext ihres Sinns entbehrt, so dient sie doch in ihrer Kernaussage der Differenzierung des Symbolniveaus.22 Diskursive Symbole wie die Sprache haben de nierbare Einheiten – z. B. Wörter, Zahlen – und stellen zwischen dem Bezeichneten und der Bezeichnung – wir kön-nen auch sagen: zwischen einer Interaktionsform und der Ausdrucks gur – eine feste Verbindung her im Sinne eines Denotats. Subjekt und Objekt sind hier diffe-renziert. Ihre Konnotation ist allgemein und ihr Sinn entfaltet sich losgelöst von der Situation, aus der sie stammen.Präsentative Symbole dagegen sprechen unmittelbar zu den Sinnen, kennen kei-ne wesensmäßige Allgemeinheit, haben kein fest umrissenes Vokabular, sondern sind zuallererst die Präsentation eines Gesamt im Einzelnen. Zu ihnen zählt Langer alle Formen der Kunst, des Theaters und der Musik. Was dies speziell für die Musik heißt, soll in meinen späteren Ausführungen deutlich werden. In den präsentativen Symbolen sind die Repräsentanzen nicht ausdifferenziert. Ausdrucks gur und die 16 Langer 1942/1987.17 Dietmut Niedecken, Einsätze, VSA-Verlag 1988.18 Maria Becker, Begegnung im Niemandsland. Musiktherapie mit schwermehrfachbehinderten Menschen, Beltz 2002.19 Christel Böhme-Bloem, Das Ergriffene im Begriff. Gedanken zum Symbolisierungsprozess, Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis 17, 2002, S. 371–392.20 Nelson Goodman, Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, deutsch Suhrkamp 1995.21 Katrin Eggers, The Matrix of Mentality, in: Musik & Ästhetik 53, S. 20–36, Klett-Cotta 2010.22 Die Bezeichnung Symbolniveau enthält nach Lorenzer keine Wertung, sondern meint einzig eine diffe-renzierende Beschreibung. Der Vergleich eines Schüleraufsatzes, der vorwiegend diskursiv organisiert ist, mit einer Beethovensinfonie, die präsentativ organisiert ist, dient ihm als Beispiel (Lorenzer 1 970b, S. 78).