Musik als Metapher gesamtgesellschaftlicher Interaktionsformen 39 unvermittelt sehr leise Schluss mit der immer noch anhaltenden 16tel-Bewegung im Klaviersolo nicht als Beruhigung geglaubt.Zum gesellschaftlichen Bezug des dritten Satzes Ebenso wie Utz und Benhabib betont auch Ulrich Beck 52 die Zusammengehörigkeit von globalisiernden und regionalisierenden Tendenzen in der zweiten Moderne. Er spricht allerdings hier nicht von einer Dichotomie, sondern von einer der Gobalisie-rung selber innewohnenden Paradoxie. Die Erfahrung vom Grenzenloswerden all-täglichen Handelns in den verschiedenen Dimensionen der Wirtschaft, der Ökolo-gie, der Technik, der transkulturellen Konfikte verändert mit Gewalt den Alltag ele-mentar und zwingt alle zu Anpassungen und Antworten. » So gesehen meint Globa-lisierung das Töten von Entfernung, das Hineingeworfensein in oft ungewollte, un-begriffene transnationale Lebensformen « .53 Globalisierung bedeutet nicht, dass die Welt kulturell homogener wird. Hier geht es immer auch um Lokalisierung. » Gleichzeitig wird Entgegengesetztes möglich und wirklich « .54 Es entstehen bunte, bewegliche, mehrfach verwickelte Lebensläufe, die sich den etablierten Kategorien nicht einfügen wollen. Beck verweist in diesem Zusammenhang auf Prozesse, die Jürgen Habermas bereits 1985 die Neue Unübersichtlichkeit nannte.55 Diese kann unter der Voraussetzung, dass Kultur – und ich möchte hinzufügen: gesellschaftli-che Identität – als in sich abgeschlossene Einheit verstanden wird, als Bedrohung und Schock erlebt werden. Hiervon unterscheidet Beck Globalität, die tatsächliche technische, mediale und ökonomische Vernetzung, die unumkehrbar ist.Zwei gesamtgesellschaftliche Interaktionsformen werden nach Beck – so lässt sich zusammenfassend feststellen – gleichzeitig in Szene gesetzt: eine enorme trans-kulturelle Erweiterung verbindet sich mit einer interkulturellen Verdichtung, einem Vorgang, wie er für den Primärprozess charakteristisch ist. Der Weltbezug des spät-modernen Subjekts stellt sich als ambitendent, verwickelt, seine kulturelle Identität verunsichernd und bedrohend dar. Er ist verbunden mit einer technischen, media-len und ökonomischen Zwangsläu gkeit.Analoge szenische Strukturen nden sich im dritten Satz von Ligetis Klavierkon-zert. Dieser Satz setzt sich mit musikalischem Material auseinander, das sowohl kul-tureigene westeuropäische Quellen hat, als auch mit solchem, das von fremden Idiomen inspiriert ist. Hinzu kommt die mechanische Unerbittlichkeit der Klavier-stimme. Die Gestaltung und Vermischung des Verhältnisses dieser Elemente kon-frontiert den Hörer mit dem Eindruck einer zuerst faszinierenden, dann aber zwangsläu g sich nähernden Klangwolke, einem Zusammenkommen aus unter-schiedlichen Richtungen, das zunehmend als bedrohlich erlebt wird. Der Zwischen-raum zwischen Hörer und der Komposition scheint sich zu verkleinern. Vielfältiges trifft sich an einem Ort. Die Automatik und extrem zunehmende Lautstärke mit den 52 Ulrich Beck, Was ist Globalisierung? Suhrkamp 1997.53 Beck 1997, S. 44.54 Beck 1997, S. 85.55 Jürgen Habermas, Die Neue Unübersichtlichkeit, Suhrkamp 1985.