40 Barbara Dehm-Gauwerky sehr starken Akzenten, die diesen Prozess begleitet und bei den Hörern ein Gefühl von Kampf hervorruft, lässt an den Globalisierungsschock denken, wie ihn Beck be-schreibt. Die Komplexität der Komposition scheint ab T. 76 den Eindruck von Un-übersichtlichkeit / Durcheinander hervorzurufen, wie sie Beck für die bunten, ver-wickelten Lebensläufe mit dem Hinweis auf Habermas aufzeigt. Damit stellt dieser Satz die Illusion eines hybriden Amalgams der Kulturen infrage. Es entfaltet sich vielmehr die Ausdrucks gur einer gesamtgesellschaftlichen Interaktionsform, in der die Faszination, die Bedrohung und der Kampf eines in seiner kulturellen Iden-tität verunsicherten gesellschaftlichen Subjekts in einer komplex und unumkehrbar vernetzten Welt hörbar werden. Sie kann als Kritik an allen Formen der Nivellie-rung von Fremdheit und damit an Erstarrung in eingefrorenen kulturellen Klischees aufgefasst werden. Dadurch hebt sie das Gewahrsein des spätmodernen Subjekts im Verhältnis zu seiner globalisierten Welt auf eine neue Stufe. Eben in dieser Funktion weist sie über sich hinaus auf die Notwendigkeit neuer Formen refexiver interkul-tureller Verständigung und Identitätsbildung. Beck formuliert diese Notwendigkeit auf einer diskursiven Symbolebene, wenn er sagt: » Globale Kultur kann nicht sta-tisch, sondern nur als kontingenter und dialektischer Prozess verstanden werden […], in dem widersprüchliche Elemente in ihrer Einheit begriffen und entschlüsselt werden « .56 Die Unruhe, in die diese Aufgabe das spätmoderne Subjekt versetzt, er-hält sich auch und nicht zuletzt in der bis zum Ende durchgehaltenen 16tel-Bewe-gung im Klavier, mit der dieser dritte Satz im pp schließt.Als Ligeti die Uraufführung seines ursprünglich dreisätzig konzipierten Klavier-konzerts 1986 in Graz hörte, befand er, dass der dritte Satz kein Schlusssatz sei, und er entschloss sich, noch zwei weitere Sätze anzufügen. Hier sind die Hörerassozia-tionen zum vierten Satz.Hörerassoziationen zum vierten Satz Kampf – Schläge (Der Bär schlägt zu aus dem Hinterhalt) – enormes Tempo (ich komm mit dem Schreiben nicht mit) – ständig wechselnd und mit Be-schleunigung (Rede-Antwort, Rede-Widerrede, zwischen Hilfosigkeit, tod-ernst und Comic, z. B. Dick und Doof, Kampf der Holzritter, Strichmänn-chen, Striche versus lebensgefährlichem Aufstand im Ghetto) – Hineingeris-sen in eine Drehbewegung zwischen innen und außen (Karussell, wilder Durcheinandertanz, ich dreh mich im Kreis, mir wird etwas schwindelig, sie sind verwirrt, manchmal wissen sie nicht weiter, chaotisch) – Überleben (ich seh mich von außen wie auf einer Leinwand, eine Geschichte wird erzählt, Angst und Schläge, aber sie leben).Es entsteht ein Raumeindruck als Auftauchen aus einer entmenschlichten, zer-stückelten Erfahrung. Das Menschliche erhält sich im Zerbrechlichen, Bedrohten und im nachträglichen, selbstgewahrsamen Schauen auf das Geschehen.56 Beck 1997, S.90.