48 Günter Kleinen etwas über die Musik bzw. über die musikalische Wahrnehmung erfahren will. Stefan Koelsch (2008) erläutert: » Es fällt auf, dass Sprache und Musik im Gehirn sehr eng miteinander verbunden sind. Die Verarbeitung von Sprache und Musik ba-siert auf stark überlappenden (teilweise sogar identischen) neuronalen Ressourcen, und die Netzwerke im Gehirn, die bisher speziell für die Verarbeitung von Sprache zuständig zu sein schienen, verarbeiten offensichtlich auch (oder erst recht) Musik. Auch wenn funktionell-bildgebende Studien oft eine linkshemisphärische Gewich-tung für die Verarbeitung von Musik zeigen, sind in der Regel beide Hemisphären in die Verarbeitung sowohl von Sprache als auch von Musik involviert. Aus evolu-tionärer Sicht baut Musik daher nicht auf der Entwicklung von Sprache auf, son-dern Musik ist tatsächlich Grundlage der Sprache.« 13 Stefan Koelsch weist darauf hin, dass syntaktische Informationen weniger domä-nen-spezi sch verarbeitet werden als bisher angenommen. » Das Gehirn verarbeitet Syntax nicht sprach-spezi sch.« Bei den Experimenten zeigte sich, dass vor allem die EKP-Komponenten (= er-eigniskorrelierte Hirnpotentiale) die Ähnlichkeit von Sprache und Musik deutlich werden lassen. Auch Musik scheint, unabhängig davon, ob die Personen musikali-sche Vorbildung besitzen oder nicht, für das Gehirn sowohl syntaktische als auch semantische Dimensionen zu besitzen. 14,15 Zwei grundlegende De/nitionen: Metapher und Topographie Traditionell ist die Metapher eine wichtige rhetorische Figur. Nach der Neueren Lin-guistik geht es aber keineswegs vorrangig um betont poetische Beschreibungen, sondern um alltägliche Erfahrungen, Beobachtungen, Wahrnehmungen. Diese sind Elemente der Metaphern und ermöglichen insgesamt ein Verständnis der Welt. Seit 1980 fand in der angelsächsischen Diskussion eine inhaltliche Wende zum Verständ-nis von Analogien und Metaphern statt. Danach verlagert sich ihre inhaltliche De -nition vom rhetorischen Mittel zum Wahrnehmungsprozess.16 Mehr noch: wie Lackoff und Johnson sagen, führen wir ein Leben inmitten von Metaphern. Die Me-tapher » wird als das zentrale Sinnesorgan für unsere soziale und kognitive Welt « 13 Stefan Koelsch und Erich Schröger: Neurowissenschaftliche Grundlagen der Musikwahrnehmung, in: Herbert Bruhn, Reinhard Kopiez und Andreas C. Lehmann (Hg.), Musikpsychologie. Das neue Hand-buch. Hamburg: Rowohlt 2008, S. 393–412.14 Übrigens berücksichtigt die Literatur zur Evolution der Sprache neben der neuralen Basis auch Mi-mik, Gestik und andere körperliche Zeichen, verfolgt also den Weg » von der Hand zum Mund « (vgl. David F. Armstrong: Original signs. Gesture, Sign, and the Sources of Language. Washington, D.C: Gal-laudet University Press. 1999; Michael C. Corballis: From hand to mouth: The gestural origins of language (2003), S. 201–218; Morton H. Christiansen und Simon Kirby (Hg.): Language evolution. Studies in the evolution of language 3. Oxford: Oxford Univ. Press. 2003; Michael A. Arbib: The evolving mirror sys-tem: A neural basis for language readiness. In: Christiansen & Kirby 2003, S. 182–200).15 Vgl. Koelsch und Schröger 2008 (vgl. Anm. 13), S. 409–410.16 Vgl. Marianne Kielian-Gilbert: Interpreting Musical Analogy: From Rhetorical Device to Perceptual Process. Music Perception 1/28, 1990, S. 63–94.