50 Günter Kleinen Unser Bewusstsein hat seine Wurzeln in körperlichen Erfahrungen (der Untertitel lautet: The bodily basis of meaning, imagination, and reason). Im Fall der (abstrakten) Musik geben uns die körperlichen Erfahrungen Mittel an die Hand, Musik zu erklä-ren und zu verstehen.21 Topographien sind Landkarten, in denen die Metaphern, die über ein semanti-sches Netz mit anderen Metaphern verknüpft sind, als Knoten xiert sind. Helga de la Motte-Haber beschreibt ganz ähnlich Informationsnetzwerke, die aus Verbindun-gen zwischen Knotenpunkten bestehen: » Ein solches Netz ist vergleichbar einem Gefüge von Begriffen (Bedeutungseinheiten), die untereinander assoziative Verbin-dungen haben. Optisch lässt sich dies als ein Netz darstellen mit Knoten (Bedeu-tungseinheiten), zwischen denen Fäden gespannt sind (Assoziationen).« 22 Während es in diesem Zitat um die Repräsentation musikalischen Wissens in neuronalen Net-zen geht, können solche Netzwerke auch für musikbezogene Metaphern angelegt werden. Robert Haskell spricht als erster von Topographien für Metaphern. Diese reichen als Knotenpunkte in vielschichtige Netzwerke der Bedeutung. Metaphern dienen zudem der Klassi kation der Wirklichkeit. » Ein allgemeines Modell der Metapher, das den Klassi kationsprozess beschreibt, ist ein Netzwerk-Schema, ein weitläu -ges System von vielfältigen Matrizen einander verbindender Knoten, wobei jeder Knoten ein Konzept darstellt […] Es gibt keine vorbestimmte Hierarchie an Super-klassen, deshalb ist jeder Knoten potentiell der Patriarch seiner eigenen, selbststän-digen Hierarchie […] Konzepte [gehören] zu einem Netzwerk anderer Konzepte; und sie werden klassi ziert aufgrund ihrer Ähnlichkeiten […] Daher muss man, um ein Wort zu verstehen, es zeichnen oder seine Position beschreiben, an der es sich be ndet, innerhalb des kognitiven semantischen Raumes, durch den es sich be-wegt.« 23 Freilich kann es sinnvoll werden, in die Topographie eine hierarchische Struktur einzuziehen, sie erleichtert die Orientierung und Übersicht.Empirische Studien Absicht war, auf empirischem Weg Belege für die Hypothese zu liefern, dass die Sprache ein grundlegendes Verständnis der musikalischen Wahrnehmung liefern kann. Der Titel Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, un-ter den George Lakoff und Mark Johnson ihre bekannte Studie von 1980/2007 ge-stellt haben, trifft zweifellos eine auch für die Musik gültige Feststellung. Die musi-kalische Wahrnehmung dürfte auf dieselbe Art und Weise funktionieren, wie sprachliche Metaphern das menschliche Bewusstsein durchziehen. Mein For-21 Mark Johnson: The Body in the Mind. The Bodily Basis of Meaning, Imagination, and Reason. Chicago und London: University Press 1987.22 Helga de La Motte-Haber: Modelle der musikalischen Wahrnehmung. In: Helga de La Motte-Haber und Günther Rötter (Hg.), Musikpsychologie. Handbuch der Systematischen Musikwissenschaft, Bd. 3. Laa-ber: Laaber 2005, S. 55–73, hier S. 63.23 Robert E. Haskell: A Phenomenology of Metaphor: A Praxis Study into Metaphor and Its Cognitive Movement through Semantic Space. In: Robert E. Haskell (Hg.), Cognition and Symbolic Structures: The Psychology of Metaphoric Transformation. 1/27. Norwood, N. J.: Ablex 1987, S. 262.