Musikalische Affekte, Wohlbe nden und Gesundheit 73 ten 14 oder die Aktivierung des musikalisch-autobiographischen Gedächtnisses bei bestimmten Formen von Demenzerkrankungen 15 mögen hier als Beispiele genügen.Fortschritte in der Hirnforschung bedürfen jedoch ergänzender experimenteller und sozialwissenschaftlicher Studien, um Neubewertungen gesundheitlicher Be-deutungen von Musik nachhaltig zu begründen. Soziale Dimensionen von Wohlbe- nden und Gesundheit lassen sich sowohl in Antonovskys Salutogenese 16 als auch in dem aus der psychologischen Gesundheitsforschung stammenden Konstrukt des Positiven Affekts wieder nden.Salutogenetischer Ansatz Der israelische Arzt Aaron Antonovsky (1923–1994) kontrastiert den seinerzeit ge-läu gen Begriff Pathogenese mit seiner eigenen Wortschöpfung Salutogenese.17 Er rückt Ressourcen und Widerstandsfähigkeit eines Menschen in Heilungsprozessen in den Vordergrund. Entscheidend ist nach seiner Auffassung ein subjektives » Ko-härenzgefühl « , welches es Individuen auch unter extrem widrigen Lebensumstän-den ermöglicht, sich diesem nahezu vollständig anzupassen. Verwandte Konzepte wie etwa die Selbstwirksamkeitstheorie Albert Banduras 18 verweisen ebenfalls auf psychische Prozesse, die zum langfristigen Erhalt von Gesundheit und zur Bewälti-gung von Verletzung und Krankheit beitragen. Während Bandura die Individualität von Selbstwirksamkeit stärker betont, erwächst Kohärenzgefühl aus einer Verbun-denheit mit umweltbedingten Strukturen, innerhalb derer soziale Bindungen und zwischenmenschliche Kommunikation prägend sind. Kulturelle Praktiken wie Sin-gen, Tanzen und gemeinsames Musizieren scheinen besonders geeignet, um Kohä-renzgefühle im Sinne des salutogenetischen Ansatzes zu evozieren. Vorläu ge Stu-dien im Bereich des Laiensingens 19 unterstreichen diese Vermutung.14 Andrea Norton, Lauryn Zipse, Sarah Marchina, and Gottfried Schlaug, Melodic Intonation Therapy: Shared Insights on How it is Done and Why it Might Help, Annals of the New York Academy of Sciences, 1169, 2009, S. 431–436.15 Lola L. Cuddy, Jacalyn M Duf n, Music, memory, and Alzheimer's Disease: Is music recognition spared in dementia, and how can it be assessed? Medical Hypotheses, 64, 2005, S. 229–235.16 Even Ruud, Music: a salutogenic way to health promotion?, in G. Tellnes, Hrsg., Urbanization and health. New challenges to health promotion and prevention, S. 143–150, Oslo 2005 17 Rüdiger Lorenz, Salutogenese – Grundwissen für Psychologen, Mediziner, Gesundheits- und Pfegewissen-schaftler, München 2004.18 Albert Bandura, Self-ef cacy: The exercise of control. New York 1997.19 Gunter Kreutz, Wirkungen und Bedeutungen des Chorsingens: Psychophysiologische und sozialpsy-chologische Aspekte. In G. Kreutz & J. Bähr, Hrsg., Anstöße – Musikalische Bildung fordern und fördern. Festschrift Hans Günther Bastian zum 60. Geburtstag, S. 107–124, Augsburg 2004.