Musikalische Affekte, Wohlbe nden und Gesundheit 75 stimmen, sollte sich ein Teil musikwissenschaftlicher Interessen darauf richten, zu begründen, welche positiven und negativen Wirkungen von diesen Handlungen ausgehen. Musikalische Wirkungsforschung ist somit integraler Bestandteil ästheti-scher Refexion in pädagogischen, therapeutischen und sonstigen Kontexten. Zweck und Funktion musikalischer Handlungen erwachsen aus der musikalischen Alltags-kultur und einem Musikverständnis, wie es beispielsweise von Millionen musikali-scher Laien in Chören und Orchestern gelebt wird. Auch wenn es Individuen darin frei gestellt ist, über ihr musikalisches Verhalten Rechenschaft abzulegen, so heißt das ja nicht, dass dieses Verhalten wirkungslos wäre. Tatsächlich messen viele Men-schen ihren eigenen musikalischen Aktivitäten Bedeutungen und Wirkungen bei, die selbst in Bereiche seelischen, mentalen und körperlichen Wohlbe ndens hinein reichen. Musikalische Wirkungsaspekte zu untersuchen kann dazu beitragen, dass Potenziale musikalischer Bildung in positiver wie negativer Hinsicht erkannt und in ihren Bedeutungen richtig eingeschätzt werden. Ein voraussetzungsloser Umgang mit Musik, wie ihn das Selbstzweck-Dogma suggeriert, wirkt realitätsfern und lässt nicht erkennen, wie diese zu tragfähigen (musik)pädagogischen Konzepten hinfüh-ren soll. Musik und ihre Wirkungen Wirkungen von Musik werden kontrovers diskutiert. Zum einen ist es alles andere als einfach, Veränderungen auf psychischen, körperlichen und sozialen Ebenen ur-sächlich auf musikalische Aktivitäten, geschweige denn auf spezi sche musikali-sche Merkmale zurück zu führen. Es liegt auf der Hand, dass zur Eingrenzung von Wirkungszusammenhängen Kenntnisse über Individuen, Situationen und Kontexte sowie selbstverständlich über wesentliche Merkmale der musikalischen Stimulation oder musikalischen Tätigkeiten vorauszusetzen sind. All diese Variablen sind in em-pirischen Annäherungen zu berücksichtigen. Zum anderen können ursächliche Ver-änderungen im Verhalten oder auf psychophysiologischen Ebenen nur dann nach-gewiesen werden, wenn sich diese Veränderungen in Zeitverläufen und im Ver-gleich unterschiedlicher Bedingungen oder Interventionen darstellen lassen. Damit sind zugleich forschungsmethodische Perspektiven angezeigt, die – unter Beach-tung ethischer und experimentalökonomischer Einschränkungen – Auswirkungen musikalischen Verhaltens recht deutlich machen können. Evidenz-basierte Modelle musikalischer Wirkungszusammenhänge sind bisher nur in wenigen Teilbereichen darstellbar. Doch entspricht dies der komplexen Wirklichkeit heterogener musikali-scher Aktivitäten und Verarbeitungsweisen von Musik in einer äußerst facettenrei-chen Musikkultur. Musikalische Wirkungsforschung ist daher weder reduktionis-tisch im Sinne von Rückführungsversuchen auf einfache Reiz-Reaktions-Schemata noch einer unangemessen eingeschränkten Sicht auf die Vielfalt musikkultureller Praktiken.