Musikalische Affekte, Wohlbe nden und Gesundheit 77 Einfüsse mehrfach wiederholt würde. Dieser Problematik war sich auch der Autor wohl bewusst. Eine teilweise durchgeführte Triangulation der quantitativen Befun-de mittels Interviews und offenen Befragungen, die in den anschließenden Diskus-sionen allerdings kaum beachtet wurden, bietet einerseits fallstudienartige, differen-zierende Einsichten, und andererseits bestärkt sie die von Bastian stark in den Vor-dergrund gerückten sozialpsychologischen Implikationen. Denn aus den Aussagen von Kindern und Lehrern lassen sich recht deutliche Wahrnehmungen integrativer Wirkungen des erweiterten Musikunterrichts ablesen. Die teils nachvollziehbare, schlussendlich jedoch überzogene Kritik von Jäncke 26 lässt diesen Teil der Untersu-chung schlicht vollkommen außer Acht.Im Übrigen ist zu beachten, dass Transfereffekt-Studien genuin musikpädagogi-sche Unterrichtsforschung zwar motivieren, aber nicht ersetzen können. Musikali-sches Lernen legitimiert sich allein durch die Qualität der in ihr und durch sie aus-gelösten oder beeinfussten Vorgänge. Verbesserungen von Leistungen aufgrund von Musiklernen in der Musikdomäne selbst und in anderen Domänen liefern si -cherlich wichtige Hinweise; sie sind jedoch als Maßstäbe für Musiklernen und Mu-sikunterricht ungeeignet. Transferwirkungen stellen weder Kulturgüter infrage, noch weisen sie diesen Voraussetzungen zu, um sie pädagogisch, therapeutisch oder in sonstiger Hinsicht lebendig zu erhalten. Sie können aber Hinweise liefern, warum sich kulturelle Tech-niken in der gesamten Menschheitsgeschichte als » Erfolgsmodelle « menschlichen Lernens, Handelns und Kommunizierens etablieren konnten. Bildungspolitische Prioritäten orientieren sich nicht zwangsläu g an kulturgeschichtlichen Einsichten. Es bedarf belastbarer empirischer Forschung, um Folgen kulturellen Handelns für Individuum und Gesellschaft abschätzen zu können. Zu diesem Zweck ist es weder nützlich, Musikunterricht als nicht hinterfragbares Diktum der Lehrplangestaltung an allgemein bildenden Schulen vorauszusetzen oder alle Hoffnung auf seinen langfristigen Erhalt auf diese Einsicht zu setzen; noch hilft es, empirisch belegbare Potenziale und » Mehrwerte « musikalischen Handelns als nicht zielführende Legiti-mationen zu diskreditieren. Kurz gefasst: sozialwissenschaftlich orientierter musi-kalischer Bildungsforschung fehlt jegliche Alternative, um überzeugende wissen-schaftliche Grundlagen für musikalisches Lernen zu etablieren.26 Jäncke 2008, S. 92