128 Norbert Schläbitz man sich abermals mit (erzieherischen) Effekten konfrontiert, die sowohl den ein-zelnen als auch darüber hinaus eine ganze Gesellschaft positiv beeindrucken sollen. In dem einen wie anderen Falle werden dabei einseitig positive Effekte – man könn-te fast sagen: Fakten – beschrieben, denn ein Zweifel an Bildung und Kultur mit ih-ren Effekten wird selten nur geäußert: mit anderen Worten – ein quasi-ontologisches Argumentationsgerüst.Aus der Sicht jener, die sich mit Musik beschäftigen, wird die Beschäftigung mit Metaphern wie den genannten deshalb wichtig, als dass wertgeschätzte Musik der Vergangenheit (und partiell die der Gegenwart) zur sogenannten Hoch-Kultur ge-höre und die Beschäftigung mit derselben wiederum als Folge Bildung hervorrufe. Bedingt durch die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Musik/Hoch-Kultur partizipiert der Mensch nicht zuletzt an den unterstellten positiven Effekten. Dieser Beitrag möchte jene Effekte infrage stellen und darüber hinaus die einseitig positiv herausgestellten Kontexte grundsätzlich in Zweifel ziehen, in denen jene Begriffich-keiten stehen.Alles Metaphern oder was Wenn von » Metapher « im Folgenden die Rede ist, so wird der Begriff in einem sehr allgemeinen Verständnis verwendet. Unter Metapher wird hier nicht alleine die poetische uneigentliche Rede verstanden, die einen großen Assoziationsraum lässt, sondern herausgestellt, dass – wie Lakoff und Johnson in ihrem Buch Leben in Meta-phern schreiben – » unser Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als auch handeln, grundsätzlich metaphorisch ist « (Lakoff/Johnson 2011, S. 11). Jeder Begriff, mag er noch so distinkt sein und fern der Metapher, ist hoch voraussetzungsvoll und metaphorisch geprägt. Ein Beispiel: Schon das unscheinbare Hilfsverb » sein « liefert bei Verwendung ein untergründig mitlaufendes Weltbild. Wenn beispielsweise gesagt wird, » Die Musik ist von Quintsprüngen geprägt « , entfaltet das Hilfsverb seine ganze Magie im Ge-brauch, da mit ihm nicht nur Eigenschaften ausgedrückt werden, sondern zugleich wird auch eine Existenzbehauptung gefällt. Dieses kaum wahrgenommene » ist « be-zeugt nicht nur, » was « etwas sein soll, sondern unterstellt gleichzeitig, » dass « etwas schlicht » ist « . Eine ungeheure, weil folgenreiche Unterstellung! Es wird eine Entität heraufbeschworen, die nicht belegt werden kann, da Quinten nicht einfach sind, sondern zunächst Ergebnis einer (sprachlich-musikalischen) Konvention, die auch anders hätte ausfallen können. Quinten gibt es nur aus einem bestimmten (sprachli-chen) Kontext heraus, in dem sie Verwendung nden. Dieses so unscheinbare Hilfs-verb rückt bei seiner Verwendung nicht ins Blickfeld und bleibt gänzlich unbeob-achtet, unkritisch unrefektiert, so wie jedes Sprachspiel seinen blinden Fleck hat. Und doch ist es für das gespielte Spiel von existenzieller Bedeutung. Schon das Hilfsverb » sein « ist metaphorisch unterwandert. Und unsere Rede ist prinzipiell von Metaphern – also von unrefektierten Voraussetzungen – unterwandert.