Metaphern, die die Musik bedeuten 129 Auch » Bildung « oder » Kultur « sind metaphorisch genutzte Begriffe. Mit den ge-nannten Begriffen werden Entitäten gesetzt, auf die man sich – je nach Vorstellung – beziehen kann. So mag man von der Bildungsmisere sprechen, davon, dass Bildung » zu-« oder » abnehme « , oder auch von einer gefährdeten Kultur und setzt dabei stets voraus, dass es einen unverrückbaren Maßstab gäbe, von dem aus man Wert-schätzungen aussprechen dürfe. Es sind so mit ihrer Setzung als Entität ontologisch motivierte Aussagen verbunden, die zudem einseitig positiv quali zieren. Damit verbunden ist zugleich, dass ihnen ein gewisser Wahrheitsgehalt innewohnen soll, was sich der Überprüfung des einmal getroffenen Urteils enthebt.Das alles erinnert wiederum an Nietzsche, der einst von Begriffen als » toten « Metaphern sprach und damit eben jenen Umstand meinte, dass wir » nichts als Me-taphern der Dinge « (Nietzsche 1988, S. 879) besitzen und Wahrheit lediglich ein » Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen [ist], kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Mün-zen in Betracht kommen « (ebd., S. 880f.)Die Verkehrung wohlgemeinter Metaphern in ihr Gegenteil ist Folge eben dieses Vergessens, dass sich in Begriffen nichts Existentes und keine Gewissheiten spie-geln, sondern menschengemachte metaphorisch aufgeladenes Signi kantenwerke.Klagelieder zur neuen Leitmetapher Bildung und Kultur werden in zahlreichen kulturkritischen Schriften als gefährdet betrachtet, weil Zeitgenossen nicht mehr die rechte Wertschätzung erbringen und man diese auch nicht mehr einfordern kann. Und als Ursache dieser Gefährdung werden die immer wieder Neuen Medien (mit den Folgen von ausufernder Globali-sierung in heutiger Zeit) ausgemacht, die das als einmal richtig und wahr Erkannte nicht anerkennen oder infrage stellen. Kritik äußert sich also dahingehend, dass Maßstäbe aufgehoben werden und einst Wertgeschätztes im beliebigen Nebenein-ander untergeht oder dass über Generationen Wertgeschätztes respektlos umgewer-tet wird. » Vielmehr herrscht ein tausendfach zersplitterter Umgang mit allen er-denklichen Formen des Klingenden: Musik ist abgelöst worden von ›Musiken‹, Kunst ist in ihr alles oder nichts « , klagt so Ulrich Konrad (2007, 33f.).Aus dem Bewusstsein derer, die einen festen Begriff von Bildung und Kultur ha-ben und Maßstäbe festgezurrt sehen, ist beispielsweise die zu diagnostizierende mangelnde Anteilnahme an Konzerten klassischer Musik jüngerer Generationen als Bildungsmangel zuzuschreiben. Ein kulturelles De zit wird daraus abgeleitet, und ganze Untergangsszenarien werden heraufbeschworen. Der Mangel wird auf Seiten des (jungen) Menschen gesehen, aber mitnichten auf Seiten der Musik, die mögli -cherweise einfach nicht mehr hinreichend für das 21. Jahrhundert taugen mag.