Instrument, Virtualität, Metapher 151 Die Dualismen echt/Software, echt/abstrakt oder echt/virtuell können als Varian-ten der Unterscheidung real/virtuell gelesen werden: digitale Virtualität wird hier zur Herausforderung für unser Realitätsverständnis und fällt somit in den Aufga-benbereich der Erkenntnistheorie, die sich wie beiläu g nun als Medientheorie ent-puppt. Wenn die auch heute noch präsente Unterscheidung real/virtuell aufgelöst und durch etwas neues ersetzt werden soll, braucht es alternative Erklärungsmög-lichkeiten (Erkenntnistheorien), die insbesondere Medientechnologie und Medien-theorie einschließen. Wie sich herausstellen wird, sind es gerade umgekehrt Theo-rien der Medien, die sich anschicken, unsere Realität zu erklären. Alle neuen Me-dientheorien, etwa Konzeptionen von Vilém Flusser, Marshall McLuhan oder Lev Manovich, erheben laut Dieter Mersch den Anspruch, » das ganze Feld traditioneller Diskurse und seiner Themen durch den Mediendiskurs als generelles kulturtheore-tisches Paradigma abzulösen « 7 Der Mediendiskurs überschreibt also klassische Fel-der der Philosophie und bildet die Erkenntnistheorie der Massenmediengesell-schaft, eine Variante der Epistemologie in Zeiten des Konstruktivismus, der Netz-werktheorie, des Internet und der Computergesellschaft.8 Zusammenfassend bemerkt: Zu Beginn des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhun-derts darf die Unterscheidung real/virtuell offenbar durchaus als » gelöscht « 9 be-trachtet werden. Bernhard Siegert deutet gar ein mögliches Verschwinden der digi-talen Medien im Realen an.10 Wir wissen schon lange, dass bereits das, was wir heutzutage als » Realität « bezeichnen, eine Konstruktion ist. Die interessante Frage jenseits postmoderner Lässigkeiten ist, welche Werkzeuge wir benutzen wollen, um Phänomene wie virtuelle Räume und Musikinstrumente zu beschreiben und zu er-klären. Welche Unterscheidungen und Begriffe wollen wir anwenden, um mit Vir-tualität umzugehen?Virtuelle Wirksamkeit De nitionen von » virtuell « sind und bleiben problematisch. Dies erscheint vor dem Hintergrund einer langen Diskursgeschichte nicht weiter verwunderlich – Virtuali-tät ist bekanntlich keine Er ndung des zwanzigsten Jahrhunderts und die so ge-nannte » wirkliche Welt « schon immer von virtuellen Weltentwürfen begleitet wor-den. Virtuelle Realität ist in diesem Sinne Teil eines Beziehungsgefechts aus Inter-dependenzen, das für lebhafte (technik)kulturelle Entwicklungsprozesse notwendig ist. Gängige De nitionen von » virtuell « lauten zum Beispiel:Virtuell [über frz. virtuel von mlat. virtualis = » als Möglichkeit vorhanden « , von lat. virtus = » Tugend, Kraft, Tüchtigkeit « ]: das, was nach Anlage oder Ver-mögen als Möglichkeit vorhanden ist; was intrinsisch alle Bedingungen seiner Realisierung erfüllt; auch: scheinbar, denkbar.11 7 Mersch 2006: 133.8 Vgl. Schmidt 1999.9 Piazzi/Seydel 2010: 86.10 Vgl. Siegert 2003: 11.11 Münker 1997: 109.