» Sonic Fiction « – Zum Begreifen musikalisch-medialer Gestaltung 165 phie endet, sobald das » critical listening « über die reine Relation von technischem Werkzeug und klanglichem Ergebnis hinausgehen soll. Dann besteht, wie Peter Wi-cke zu Recht bemerkt,[…] die Gefahr, aus dem Klanggeschehen musikalische Sachverhalte zu extra-polieren, die in den kulturellen Zusammenhängen, in denen die entsprechen-den Klanggebilde als Musik funktionieren, keine oder zumindest doch keine relevante Entsprechung haben […]8 Dies gilt nicht nur für interkulturelle Unterschiede in unterschiedlichen Musikkul-turen aus globaler Sicht wie etwa Bluesharmonik versus westeuropäische Funk-tionsharmonik, sondern bereits für Genres und Stile des populären Mainstreams, in die kulturelle Strömungen, aber auch Szenetraditionen einfießen. Unter der Voraus-setzung, dass der Sound » zu einer zentralen ästhetischen Kategorie des Musizie-rens « 9 und damit auch existenzieller Teil der Entwicklung musikalischen Materials geworden ist, kann also kaum mehr davon ausgegangen werden, dass eine einheit-liche Beschreibung oder gar eine ästhetische Bewertung des Klangs als reines Wahr-nehmungskorrelat möglich ist. Anders gesagt, ist ein tiefgreifendes klangtechnisch-musikalisches Verständnis auch nur eines – durch einen spezi schen Sound de -nierten – Subgenres in der populären Musik durch übergeordnete Kategorien ohne ihre Traditionskontexte nicht zu leisten. Dies gilt in verstärktem Maße für die pho-nographische (Studio-)Arbeit selbst: Eine Produktion in einem bestimmten stilisti-schen Segment benötigt auch genau die klanggestalterischen Kompetenzen dieses Stils. Im Zusammenhang einer Produktion behilft man sich in solchen Situationen, indem man eine jeweils andere Person, eine passende Producerin mit einem ande-ren ästhetischen Pro l und der entsprechenden Szeneeinbindung wählt. Für einen wissenschaftlichen Zugang ist dieses Verfahren unbefriedigend, hier stellt sich die Frage, inwieweit stil- und genreübergreifende Beschreibungszusammenhänge mög-lich und sinnvoll sind. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin könnte sein, mit Peter Wicke und Simon Frith » die jeweiligen ›Lesarten‹ zu rekonstruieren, denen die klanglichen Gebilde ihre Existenz als Musik verdanken « , um anschließend zu überprüfen, ob dort übergreifende Strategien sichtbar werden.« 10 Die afrofuturistische Lesart Es geht also darum, Lesarten, ästhetische Strategien und (sub-)kulturelle Semanti-ken zu erschließen, um die Ebene des Audio Engineerings mit einer kulturell veran-kerten Medienästhetik zu verbinden. Dies ist besonders dann ertragreich, wenn die entsprechende musikalische Kultur selbst eine entsprechende Praxis des medienäs-thetischen Gebrauchs entwickelt hat, in der technische Medien nicht nur als reine 8 Peter Wicke, Popmusik in der Analyse, Acta Musicologica, Vol. LXXV, 2003, S. 107–126. Zit. nach http://www2.hu-berlin.de/fpm/textpool/texte/wicke_ popmusik-in-der-analyse.htm, 1.2.2012.9 Ebd.10 Ebd.