166 Rolf Großmann Werkzeuge der Vermittlung verstanden werden. Technischen Umgebungen ist so-wohl eine bedeutsame Rolle in der Mitgestaltung der Artefakte wie auch eine Ein-fussnahme auf das musikalische Handeln im Allgemeinen zuzurechnen. Frühe For-men solcher Bestrebungen – noch auf der Ebene industrieller Technik – sind sicher-lich die futuristischen Bewegungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie bleiben in ihrer Orientierung noch eurozentristisch und – etwa im Konzept der mikrotonalen Enharmonik – weitgehend den Idealen des 19. Jahrhunderts verbunden.Ein Blick auf die durch Massenmedien geprägte populäre musikalische Kultur ab Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt ein anderes Bild. Die massenmedial verbreitete Musik und die technischen Medien ihrer Verbreitung entwickeln ein symbiotisches Verhältnis. Gleichzeitig verändern sich bislang durch die westeuropäische Kunst-musik geprägte Kategorien wie Werk, Autor und Aufführung. Aktuelle technisch produzierte und gestaltete Musik unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den » tönend bewegten Formen « der europäischen Kunstmusik. Es gibt nun elektroni-sche Klänge ohne den Rückgriff auf vertraute akustisch identi zierbare Instrumen-te, programmierte, automatisch ablaufende Zeitgestalten ohne humane Agogik bzw. Gestik ebenso wie die halbfertige Musik von den Plattentellern oder Samplern der DJ-Culture. Unübersehbar herausragend ist in diesem Zusammenhang der Einfuss, den au-ßereuropäische, afroamerikanische und karibische Einfüsse auf die Medienästhetik des 20. Jahrhunderts haben. Die musikalischen Innovationen, die aus Jamaika und der schwarzen Kultur Amerikas kommen, haben die internationale populäre Musik nachhaltig geprägt. Genres und Stile wie DJ-Culture, Sampling, Techno, Remix ste-hen für die verbreitete und etablierte medienästhetische Praxis des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Theoretische Ansätze zu » Black Atlantic « (Paul Gilroy)11 oder » Black Electronic « (Erik Davis)12 verhandeln die Voraussetzungen dieser These ausführlich und bieten Ansätze für die entsprechende Rekonstruktion von Lesarten einer tech-nikkulturellen Musikpraxis.Insbesondere der Afrofuturismus, wie er sich seit den 1960er Jahren um Leit gu-ren wie Sun Ra oder George Clinton bildet, ist ein kulturelles Zentrum der neuen Hybridisierung von Kultur und Technik. Die Science ction-Welt Sun Ra's ist eine schwarze Gegenwelt, in der kulturell ›Außerirdisches‹ und Technologie zur neuen positiv verstandenen Heimat und Natur werden (Alienation).11 Paul Gilroy, The Black Atlantic. Modernity and Double Consciousness, Cambridge, Mass. 1993.12 Erik Davis, » Roots and Wires « Remix: Polyrhythmic Tricks and the Black Electronic, in: Paul D. Miller aka DJ Spooky that Subliminal Kid, Hrsg., Sound Unbound. Sampling Digital Music and Culture, Cam-bridge, Mass. 2008, S. 53–73.