170 Rolf Großmann In der metaphorischen Sprache Kodwo Eshuns liest sich das Prinzip des rhyth-mischen Layerings unter der Überschrift » Silberzyklen der Polyrhythmaschine « so:Groove entsteht, wo einander überschneidende rhythmische Muster ineinan-dergreifen, wenn Beats synchrovermatscht werden, bis ein Selbstbewegtheits-Effekt entsteht […]. In den Groove geraten heißt, sich dem Polyrhythmotor an-zuschließen, von einer ktionalisierten Rhythmusmaschine adaptiert werden, die dich mit ihrem eigenen Impuls versorgt.20 Zu dieser gestalterischen Arbeit im Medienlabor kommt im Hiphop ein weiterer grundlegender Aspekt hinzu: die Nutzung kultureller Archive zweiter Ordnung, also der in den privaten Plattenregalen und Second-Hand-Läden sedimentierten Auswahlen aus der phonographischen Kultur mehrerer Generationen.21 Das Graben in den Plattenkisten (im Hiphop-Jargon crate digging) und die Bereitschaft, » unbekannte Erzschächte des Funk als Datenbergwerke zu behandeln « , sind die Voraussetzungen, um eine neue Tradition der phono-graphischen Gestaltung zu begründen. Daraus resultiert eine phonographische Arbeit, wie sie in Anlehnung an die ›motivisch-thematische Arbeit‹ der westeuropäischen Kunstmusik genannt werden könnte, deren Material sowohl im direkten klanglichen Sinne wie auch im weiteren Sinne sedimentierter kultureller Formen nicht mehr Tonfolgen, sondern rhythmische und klangliche Essenzen bereits phonographisch archivierter musikalischer Praxis sind. Auf der Suche nach den Lesarten des phonographisch gestalteten Klangs ist es daher keineswegs eine Übertreibung, wenn Kodwo Eshun die vom Hiphop ausgehende DJ-Culture als grundlegendes Konzept einer solchen phonographischen Arbeit entwirft. Danach » […] ist Hiphop daher weniger ein Genre als vielmehr ein Omnigenre, ein konzeptueller Ansatz für die sonische Organisation anstatt ein bestimmter Sound per se.« 22 Metaphern des Hybriden – Anthropomorphisierung Abschließend möchte ich noch auf ein verbreitetes metaphorisches Verfahren im Kontext technokultureller Adaption eingehen, auf die Anthropomorphisierung von Technologie. Bei Eshun werden DJs zu menschlichen Samplern, technische Ohren hören Cybotrons Techno City, hinter der sich die zu Metropolis mutierte Motor-Town Detroit verbirgt. Bereits das Kunstwort Cybotron (ein 1980 von den Techno-Pionie-ren Juan Atkins and Richard » 3070 « Davis gegründetes Duo) verweist auf die ge-genseitige Durchdringung technischer und menschlicher Sphären. Es ist zusammen-20 Eshun 1999, S. 97.21 S. dazu Rolf Großmann, Die Geburt des Pop aus dem Geist der phonographischen Reproduktion, in: Christian Bielefeldt, Udo Dahmen, Rolf Großmann, Hrsg., PopMusicology. Perspektiven der Popmusik-wissenschaft, Bielefeld 2008, S. 119–134.22 Eshun 1999, Seite 15.