192 Bernd Ternes (mit Hans Peter Weber)Jahren viele Begriffichkeiten herausgebildet, die im Rahmen einer hegemonial ge-wordenen soziokybernetischen Epistemologie einer Bemühung subsumiert werden können: nämlich der, nach Möglichkeiten zu suchen, wie jenseits vom epistemi-schen Kraftwerk namens » Emanzipation « (resp. » Leid « ) af rmativ Theorie betrie-ben werden kann. Dafür standen und stehen etwa folgende zentrale Begriffe zur Verfügung: Medium, Form, Unterscheidung, Beobachtung, Polykontexturalität, der Brownsche Indikationskalkül, sowie grundlegend der Begriff Autopoiesis. Am Be-griffspaar ›Medium/Form‹, das Luhmann von Fritz Heiders Aufsatz » Ding und Medium « ableitet, lässt sich vielleicht deutlich machen, was es heißt, wenn sich eine Theorie als operative versteht und also von Geschichtlichkeit ablässt bzw. diese als eine Art ursprünglich einmal tätig gewesene Geschichtlichkeit ansetzt und den wei-teren Vollzug einer Hermetik überlässt, die allenfalls perturbiert und zerstört, aber nicht geplant, nicht verändert, nicht hermeneutisch aufgeschlossen oder schon gar nicht aufgehoben werden kann.Im dialektischen Versuch, die Einheit gebrochener Welt zu verstehen, war der Akt des Bestimmens von Welt und Materie eingebunden in einem Prozess des Zu-sichkommens: Ergab sich Identität von Form und Materie, dann strahlte ebendiese identische Bestimmung auf die Bedingungen zur Erfüllung identischer Bestimmung ab. Jede fortzusetzende Bestimmung von Form und Materie musste sich also fort-entwickeln, musste ihr Anderes werden, um wiederum identisch zu sein. Der Pro-zess der Bestimmung von Form und Materie gebar Zeit als Bedingung der Entwick-lung von Geschichte, doch irgendwann dahin zu gelangen, wo das Andere nicht mehr in einen Vermittlungsstrudel hineingerissen werden muss, weil Gesellschaft bei sich angekommen ist. Das Identische in der Dialektik ist solange das Nichtiden-tische, wie die Gesellschaft noch auf bestimmte Identität angewiesen ist; diese aber, und das war der dialektische Optimismus, gehe vorüber: die Gesellschaft besitze die Produktivkräfte schon in sich, diese Form der Bestimmung von Form und Mate-rie, von Identität, hinter sich zu lassen. Ähnlich und doch ganz anders sieht es bei Luhmann aus. Auch für ihn benutzt die Bestimmung einer – jetzt allerdings – ›Form/Medium‹-Distinktion Identität ei-gentlich nur, um den Prozess der Bestimmung über Bestimmung von Nichtidentität voranzutreiben. Der maßgebende Unterschied ist hier jedoch, dass die Bestimmung selber niemals nichtidentisch werden kann: Die Form der Unterscheidung ›Medi-um/Form‹ ist stets dieselbe (!), nur ihr Material wechselt.9 Hier also passiert keine Durchdringung, keine dialektische Bewegung, keine historische Maschinisierung, keine Verzeitlichung von Form und Medium, da hier die Zeit, vormals noch Pro-dukt der Dialektik von Bestimmung, nun als Voraussetzung des Gebrauchs von Be-stimmungen (mittels Unterscheidungen) eingesetzt wird. Zeit wird hier, gemäß der Vorgabe Operationalität, einfache Verlaufszeit, eingekapselte Zeit des Prozessierens (Verkehrszeit), ohne zeitlichen Verbund mit einer gesellschaftlichen Zeit (Ge-schichtszeit), die ihre Macht in den Bedingungen und Richtungen des Wozu des Prozesses vorstellig hätte. Da diese Art der Bestimmung nur ihre Fortsetzbarkeit im 9 Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, FFM 1990, S. 399.