194 Bernd Ternes (mit Hans Peter Weber)me und dem eigenen inneren Musizistischen Apparat der Psyche, genauer: die Perso-nal- und Sozialkräfte des Menschen zu insistieren und intensivieren. Denn rätselhafter Weise bewirken im kultural-mentalen Haushalt die dazwi-schengefügten Instrumente keine isolierende, trennende Abstraktion, sondern das Gegenteil. Musikalische resp. musizistische Instrumente als Medien sind eben keine Störenfriede, sind nichts Inkaufzunehmendes, wie es bei einer informationstheoreti-schen Perspektive aufs Medium der Fall ist – schlimmstenfalls als Rauschen, das die Form (» Botschaft « ) übertönt. Die Instrumente schaffen offensichtlich eine Brücke der Verstärkung, die den Eindruck der Konkretheit erhöhen. Ihr Dazwischenfügen erzeugt ein Gefüge, das die Emp ndung gerade verdichten hilft.Bereits die frühen Menschen müssen das so gespürt haben: indem sie Instru-mente zur Pulsierungsintensität und Klangziselierung schaffen, gewinnen sie gera-de Medien, welche ihre Seele tiefer berühren, weil sie Stimme und Ohr dichter zu-sammenführen.Die Instrumente steigern. Sie steigern gerade das, was sich abschwächen, was sich lösen will: das Vermögen zur Abspannung im mentalen Apparat. Und dies lässt sich offensichtlich nicht verstehen, nur/eben: empKnden.Die fortgesetzte Entwicklung von Instrumenten und instrumenteller Technik in der Musik im Verlaufe von Geschichte erfolgt offenbar, um der überbordenden Ent -wicklung von funktioneller Technik und Instrumentation in den Machtläufen der Zivilisation etwas entgegenzusetzen. Doch setzt immer dann, wenn diese entgegen-gesetzte Steigerung von technischer Kompetenz in der Praxis von Musik selbst zu ausgeklügelt wird, offensichtlich wieder ein Zug zur Vereinfachung ein. Der über-steigerte Instrumental- und Technikgebrauch wird erneut reduziert auf elementare-re, rudimentärere Verhältnisse: Eine raf niertere Einfachheit bricht sich Bahn, ver-siertere Reduktionen organisieren das » reduce to the max « , das für einen erneuten kommoden, weil schlanken Technik- und Instrumentalgebrauch sorgt.11 Und im Gegenzug raf niert sich dann jedes Mal auf der Basis einer veränderten subtileren physischen Beschaffenheit von vereinfachten Instrumenten und Instrumentationen die Preziosität der Klangkultur.Vielleicht ist die Kunst ja doch nur/eben der immerwährende Versuch, mit allen wesentlichen Dingen, von denen wir von Natur und von Zivilisation aus rigoros ge-trennt sind, erneut verbunden zu werden. Da wir uns notorisch unter den Natur- und Kulturdingen als die ausgesetztesten und einsamsten emp nden.Die Kunst, die Künste aller Zeiten bilden so gerade das immerwährende Streben, diese wesentlichen Trennungen, die als existenzial schmerzlich empfunden werden (als Weltschmerz), rückgängig zu machen oder wenigstens doch zu lindern – in Aus-nahmesituationen der eigenen Verfassung und Umstände. Alle jemals aufgebotenen Kultur(isations)techniken stehen unter diesem telos, von den Mythologien über die Riten und Liturgien bis zu den Exerzitien der Modernen Künste resp. der Modernen 11 Denn in jeder Epoche der Überbordung droht die Selbstlähmung durch Übertreibung ins technische wie ästhetische Rokoko – diese Attitüde der Überladung, unter der ein Regiment selbst zusammenbre-chen muss.