Metaphern sind » Brotverwandlungen des Geistes « 205 Scherings Beethoven-Deutungen,10 allzu schwer wiegt auch das Gepäck erzähl-ver-mittelnder Geschichten in populärwissenschaftlichen Konzertführern, mit jeglichem Verzicht auf eine hinreichende Refexivität der hier angebotenen Bilder.11 Es ging auch in der Wissenschaft lange Zeit darum, das Denken und Reden von diesen Ver-unreinigungen zu befreien, die Sprache » auszufegen « , » tönend bewegte Formen « 12 mit logischem Kalkül zu vermessen und von allen poetischen Trübungen rein zu halten.Sprachbilder in Bildungskontexten Dürfen sich nun Schüler den Schönheiten einer dichterischen Sprache bedienen oder müssen sie ihr Reden zwischen schöngeistiger Sprache und rationaler Wahr-heit trennen?Behelfen sie sich der dichterisch-metaphorischen Sprache als einer Sprache des Ersatzes, weil sie die eine metaphernfreie Formelsprache (noch) nicht kennen? Was bliebe ihnen in einer von Metaphern ausgefegten Sprache an ärmlichen Begriffich-keiten übrig?Wie orientieren sich nun Schüler in diesem Gefecht von lexikalisierten und krea-tiven Metaphern, zwischen etablierter und innovativer Metaphorik?Wie unterscheiden sie zwischen toten, verblassten Metaphern, die bereits zu Begrif -fen erstarrt sind, und ihren eigenen Wort- bzw. Begriffsschöpfungen, die dann in tote Metaphern übersetzt werden möchten?Wie nden sich Schüler ohne Notenkenntnisse zurecht, wenn ein Lehrer selbst-redend akustische Phänomene im Raum anordnet, von hohen und tiefen Tönen spricht, die in den Ohren der Schüler zugleich auch spitz, scharf, hell, leicht bzw. dumpf, dunkel und schwer sein können? Auf dem Klavier gibt es kein oben und unten, hier gilt es für Schüler tastend zu erspüren, ob sie diese nun rechts oder eher links auf dem Klavier suchen müssen. Was dem Laien als ungewöhnlich und metaphorisch erscheint, ist dem Fachmann als xierter Terminus längst geläu g:13 » Wissenschaftliche Metaphern sind janus-köp g. Aus der Innensicht eines Faches besitzen sie den Status von Fachbegriffen (Termini). […] Wissenschaftliche Termini bleiben aber – auch wenn sie zu Fachbe-griffen geworden sind – in ihrem Kern an ihre Modellfunktion gebunden, die ur-sprünglich durch eine metaphorische Übertragung zustande kam. Die begriffiche 10 Arnold Schering, Beethoven in neuer Deutung, Leipzig 1934, und ders., Beethoven und die Dichtung, Ber-lin 1936, Nachdruck Hildesheim 1973.11 Hierzu: Werner Wolf, Das Problem der Narrativität in Literatur, Bildender Kunst und Musik. Ein Beitrag zu einer intermedialen Erzähltheorie, in: Erzähltheorie transgenerisch, intermedial, interdisziplinär, hrsg. von Vera Nünning u. Ansgar Nünning, Trier 2002, S. 23–104, hier S. 25.12 Eduard Hanslick, Vom Musikalisch-Schönen, Wiesbaden 1989 [1854], S. 59.13 Der Bergmann bedient sich zur Kohleförderung mit großer Selbstverständlichkeit eines ›Hundes‹, während große Teile der Sprachgemeinschaft gewohnt sind (oder sein sollten), diesen ausschließlich an der Leine zu führen. Hierzu: Jürgen Nieraad, Bildgesegnet und bildverfucht. Forschungen zur sprachlichen Metaphorik, Darmstadt 1977, S. 2.