206 Jürgen Oberschmidt ›Abdichtung‹ wissenschaftlicher Begriffe gegen ihre Implikationen aus der Alltags-sprache bereitet dem Lernenden oft Schwierigkeiten.« 14 Auch Schüler sind bildende Künstler, sie bedienen sich ihrer zur Verfügung ste-henden Werkstoffe, und manchmal gelingt es auch ihnen, Beachtliches und Ein-drückliches in Worte zu fassen. Felix Mendelssohn Bartholdy hat dies in einem Brief an seinen Vater zur Sprache gebracht: » Ich kann es oft gar nicht begreifen, wie es möglich ist, über Musik ein so genaues Urteil zu haben, ohne technisch musikalisch zu sein.« 15 Es gibt also eine Musikalität, die sich jenseits dieser handwerklichen Musikalität be ndet. Sie beruht auf ein intuitives Wissen, das abseits der erlernten Begriffe, aber auch fern von erworbenen oder zu erwerbenden musikpraktischen Fähigkeiten zu Hause ist. In einer Lesart des 21. Jahrhunderts ließen sich Mendelssohns Einlassun-gen mit Stefan Koelsch international und kürzer formulieren: » Nonmusicians are Musical.« 16 Was Mendelssohn intuitiv gespürt und der Neurowissenschaftler Stefan Koelsch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium gründlich erforscht hat, ist bisher noch zu wenig in das musikpädagogische Bewusstsein geraten.17 Eine allen Menschen gegebene, universelle Musikalität ist hier letztlich in Aussicht gestellt, die dann ohne ein Vorwissen mit Metaphern zum Vorschein gebracht werden kann. Dies sind Versprechungen, die eher an Verheißungen eines Werbeprospektes erin-nern, die angesprochenen zentralen Probleme des Redens über Musik nicht lösen, aber hier vielleicht zu neuen Orientierungen führen können.» Culture depends on cookery « 18 – Die Kultur hängt von der Kochkunst ab Nimmt man den Grundsatz Lakoffs und Johnsons ernst, dass Sprache und Denken metaphorisch organisiert ist, scheint ein metaphorischer Ausblick auf das Phäno-men Metapher auf diese Weise zulässig. Dieses Argumentieren in Metaphern ge-schieht nun in Anlehnung an eine Metametapher aus Jean Pauls Vorschule der Ästhe-tik, hier gelesen als eine Vorschule der kognitiven Metapherntheorie. Jean Paul bil-det hier sozusagen eine Vorhut, eine Avantgarde, da für ihn die Metapher nicht nur ein Redeschmuck oder eine besonders geistreiche Er ndung darstellt, sondern » na-türliche Sprachphänomene « kennzeichnet und er gerade ihre » integrative Wirkung 14 Hugo Caviola, In Bildern sprechen. Wie Metaphern unser Denken leiten. Materialien zur fächerübergreifenden Sprachrefexion, Bern 2003, S. 21.15 Hier zitiert nach: Martin Geck, Wenn der Buckelwal in die Oper geht. 33 Wunder über die Wunder klassi-scher Musik, München 2009, S. 192.16 Stefan Koelsch u. a., Brain Indices of Music Processing. » Nonmusicians « are musical, Journal of Cognitive Neuroscience, (3) 2000, S. 520–541.17 Hierzu: Estelle R. Jorgensen, Pictures of Music Education, Bloomington and Indianapolis 2011; Jürgen Oberschmidt, Mit Metaphern Wissen schaffen. Erkenntnispotentiale metaphorischen Sprachgebrauchs im Um-gang mit Musik, Augsburg 2011.18 Oscar Wilde, Vera, or The Nihilists, Stilwell 2006, S. 34 [2. Akt, Fürst Paul].