210 Jürgen Oberschmidt vielmehr an solchem falschen Zucker, womit seine Wißenschaft überzogen war, satt-genascht hat, [hingegen] nachher nie die Anfangs bittre, aber nachher gesunde und stärkende Wurzel zu kauen mehr Lust hat.« 37 Und Friedrich Wilhelm Niethammer spottete 120 Jahre später in ähnlicher Weise über die » Albernheit, das Alphabet in Zucker zu backen.« 38 Betrachte ich metaphorisches Sprechen als eine solch süße Lockspeise, die dann in die stärkende, begriffiche Wurzel überführt werden muss, folge ich einer Substi-tutionstheorie der Metapher, vollziehe einen Etikettentausch bei der Benennung von musikalischen Sachverhalten. Ganz gleich, ob eine Metapher nun aus dichterisch or-namentalen Gründen oder aus veranschaulichend pädagogischen Gründen den Platz eines Begriffes zunächst eingenommen hat.Diese Substitutionsprozesse haben auch im Musikunterricht ihren Platz und na-türlich gibt es auch immer wieder jene Momente, die diese sinnvoll erscheinen las-sen. Und auch im Rahmen dieser Substitutionstheorie kann der Metapher ein ge-wisser kognitiver Innovationsschub nicht abgesprochen werden. Auch das Verdau-en von Nahrung ist wie das Bilden und Verstehen von Metaphern ein aktiver Pro-zess! Gerade wenn es im Verlauf des Unterrichts darum geht, das Reden vom meta-phorischen Zuckerguss zu befreien, um sich dann mit der bitteren aber stärkenden Wurzel allein zu beschäftigen. Auch hier wird zumindest das analogisierende Den-ken angeregt, auf assoziative Ähnlichkeiten aufmerksam gemacht. Im Unterricht wird hier jedoch der musikalische Gegenstand häu g in einem mehrgängigen Menü mit einer festgelegten Speisefolge serviert: Aufgabe 1: Beschreibe, wie die Musik auf dich wirkt!Aufgabe 2: Wo beginnt das zweite Thema?Für jeden Schüler wird dann schnell klar, was hier als süße Vorspeise und was als eigentliches Hauptgericht aufgetischt wird. Sein ursprünglicher, sinnlicher Zugang ist abgeschnitten, wenn für das analytische Studium erst das Besteck gewechselt werden muss.2. Lernen ist Nahrungszubereitung (Lernen als Konstruktion von Wissen)Die Metapherntheoretiker haben jedoch erkannt, dass auch ein süßer Zuckerguss die geschmackliche Konsistenz des Gegenstandes färbt und verändert. Dieser Ein-sicht sucht die auf Max Black zurückgehende Interaktionstheorie 39 der Metapher Rechnung zu tragen. Es gibt hier keine geordnete Speisefolge, sondern semantische Felder, die sich durch eine Wechselwirkung gegenseitig beeinfussen und miteinan-37 Ebd., S. 55f.38 Friedrich Immanuel Niethammer, Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unserer Zeit [1808], in: Ders., Philanthropinismus – Humanismus. Texte zur Schul-reform, bearb. von W. Hillebrecht, Weinheim 1968, S. 79–359, hier S. 325.39 Max Black, Die Metapher, in: Theorie der Metapher, hrsg. von Anselm Haverkamp, Darmstadt 21996, S. 55–79.