212 Jürgen Oberschmidt wie aus dem Nichts geborene Metapher verwandelt Geist in sprachliche Materie. Nur bleibt bei Jean Paul leider unausgesprochen, wie dies zu geschehen hat.Für diese Verheißung lohnt es sich jedoch, der Verwandlung im ursprünglichen, religiösen Kontext etwas näher auf den Grund zu gehen: Brot ist eine materielle Ver-körperung nicht nur des Leibes, des Leibes Christi, sondern gleichzeitig die des Geistes, einer Religion, einer Lehre. Brot ist nicht nur ein reales Backwerk, sondern steht für das Ganze, für Leben und Wirken. Das Mahl gewährt hier Zugang zum Göttlichen, zum Höchsten und Guten. Dies alles versucht Jean Paul in seiner Meta-pher der » Brotverwandlung « zu fassen. Die Metapher hat in diesem Kontext nicht den Status einer süßen Vorspeise oder eines pädagogischen Vermittlungsmanövers, dieses Brot umfasst das Ganze, es ist mehr als ein Appetitanreger, es ist ein Brot, das sättigt, das am Leben erhält und das ein wohliges Erfülltsein verspricht.Wesentlich ist hier, dass zwischen Resultat und Vorgang nicht getrennt werden muss, dies drückt der religiöse Begriff der Verwandlung aus: » In dieser Situation sind Weltbezug, poetische Aufbauleistung und Refexion verbunden.« 45 Die entscheidende Leistung einer Metapher besteht für Jean Paul darin, » das Ich in seiner Welt zu konstituieren. Die Metapher ist Seelen- oder Phantasietätigkeit (als Übertragen, Beseelen oder Verkörpern), das sprachliche Produkt dieser Tätigkeit (im weitesten Sinn: der Roman) und das anthropologische Produkt (das wiederge-borene poetische Ich).« 46 Die poetische Erkenntnis ndet, was sie er ndet, legt of-fen, was sie selbst produziert: » In diesem Erkennen: der Erkenntnis der Phantasie, wird das Auge zur Lichtquelle und nimmt wahr, was es selbst erst sichtbar macht.« 47 Eine gottgleiche Potenz liegt also in der menschlichen Fähigkeit zur Metaphern-bildung. Diesen göttlichen Status, den sich die Metapher in ihrer zweitausendjähri-gen Geschichte mühsam erkämpft hat, gründet sich auf Kant, der zwischen göttli-cher und menschlicher Anschauung unterscheidet: » Die göttliche Anschauung er-zeugt die Gegenstände in ihrer Existenz, die menschliche Anschauung hingegen setzt die Existenz der Gegenstände als gegeben voraus.« 48 In einem konstruktivisti-schen Gegenstandsverständnis, das davon ausgeht, dass die Wirklichkeit durch An-schauung selbst geschaffen wird, gibt es also die Einschränkungen nicht mehr, die für den Sterblichen kennzeichnend sind. Das metaphorische Konzept der » Brotverwandlung « ist also ein weitreichen-des – umso ernüchternder erfolgt nun die Einschränkung, dass auch Metaphern nicht das Ganze in den Blick nehmen, sondern sich – wie jede konstruktivistische Gegenstandserfahrung – nur perspektivisch einem Gegenstand nähern können. Es sind Brotverwandlungen des Geistes, also jenes wird verwandelt, das sich das irdi-sche Wesen mit seinen begrenzten Mitteln zuvor einverleibt hat. » Bilder, die uns ge-45 Herbert Kaiser, Jean Paul lesen, Versuch über seine poetische Anthropologie des Ich, Würzburg 1995, S. 213.46 Ebd., S. 212.47 Ebd., S. 213.48 Briefiche Mitteilung an Marcus Herz vom 21. Feb. 1772, hier zit. nach Georg Mohr, Transzendentale Ästhetik, in: Immanuel Kant. Kritik der reinen Vernunft, hrsg. von Georg Mohr u. Marcus Willaschek, Berlin 1998, S. 107–130, hier S. 127.