Metaphern sind » Brotverwandlungen des Geistes « 219 Dieser Schülertext zeigt auch, wie ein intuitiv geformtes, in die Welt gesendetes Bild in einem metaphorischen Prozess 60 refexiv an den musikalischen Gegenstand ange-bunden werden kann: Die initiale Metapher » Fischschwarm « bietet hier lediglich einen Anstoß, der in eine Suchbewegung übergeht und sich zunächst in einem zweiten Schritt zu einem Bedeutungsnetz verdichtet. Bevor nämlich die Metapher auf den Gegenstand bezogen werden kann und der Interaktionsprozess zwischen Bildspender und Empfänger in Gang gesetzt wird, soll daher die Metapher selbst ausgeleuchtet werden, um Übergriffsmöglichkeiten, Kontaktfäden bereitzustellen. Eine vorschnelle Übertragung würde womöglich das Potential der Metapher, das zu bergende Wissen, nicht zum Vorschein bringen. In unserem Fall gilt es also zu-nächst, die Eigenschaften des Fischschwarms näher zu beschreiben:Viele kleine Fische ›wuseln‹ durcheinander bewegen […] sich sehr schnell, beinah hektisch Jeder einzelne Fisch sucht sich seinen Weg inmitten der anderen.Erst dann werden Bildspender und Bildempfänger in Beziehung gesetzt, wird ver-sucht, die reiche Metaphorik an transparente Begriffe anzubinden:Das Klavier beginnt nun sehr hektisch und schnell zu spielen. Diese Hektik Knde ich in einem Fischschwarm wieder. Wie die Melodie des Solisten aus vielen einzelnen No-ten besteht, besteht ein Schwarm aus vielen kleinen Fischen. Die Melodie weitet sich über sehr hohe und sehr tiefe Töne aus. Sie steigt und sinkt stetig, wie ein Fisch, der innerhalb seines Schwarms seinen Weg durch das Getümmel sucht.Angestrebt ist also ein Interpretieren der Metapher, das sich in drei Schritten voll -zieht: Eine initiale Metapher wird gebildet (1), verdichtet (2) und refexiv an den zu-grunde liegenden Gegenstand angebunden (3). Es ist also kein Übersetzungsvor-gang, kein Substitutionsprozess, der die vorläu ge Metapher durch einen endgülti-gen Begriff ersetzt, sondern sie bleibt als ursprünglicher sprachlicher Refex beste-hen und umstellt weiterhin den musikalischen Gegenstand.Auch, wenn wir es hier mit einem abgeschlossenen, schriftlich hinterlegten Text zu tun haben, lässt sich skizzieren, wie jene metaphorische Beschreibung in ande-ren, mündlich-beweglichen Kontexten weiter verfolgt werden könnte:1.Wie reagieren Einzeltöne in Erfüllung ihrer Aufgaben in diesem akkordi-schen System des Fischschwarms aufeinander?2.Wie zeigt sich Schwarmintelligenz, werden Harmonie- und Richtungs-wechsel von den benachbarten Fischen aufgegriffen?60 In Anlehnung an Anil K. Jain, Medien der Anschauung. Theorie und Praxis der Metapher, München 2002. Hierzu auch Jürgen Oberschmidt, Metaphorischer Sprachgebrauch im Unterricht. Überlegungen zur Evaluierung der Schülersprache, in: Evaluationsforschung in der Musikpädagogik, hrsg. von Niels Knolle, Essen 2010, S. 131–154; Jürgen Oberschmidt, » Ein bewegliches Heer von Metaphern « – Betrachtungen zum metaphorischen Sprechen im Musikunterricht im Anschluss an Nietzsches erkenntnistheoreti -scher Skepsis, in: Reden über Kunst. Projekte und Ergebnisse aus der fachdidaktischen Forschung zu Musik, Kunst, Literatur, hrsg. von Johannes Kirschenmann, Christoph Richter u. Kaspar H. Spinner, München S. 491–506.