220 Jürgen Oberschmidt 3.Wie werden die einzelnen Fische vom Musiker oder auch vom Hörer iso-liert bzw. in ihrer fießenden Gesamtheit wahrgenommen und erfasst?4.Wie zeigt sich Virtuosität im Instrumentalkonzert? Wie äußert sie sich im Geschehen, das sich oberhalb oder unterhalb der Wasseroberfäche ab-spielt?Auf diese Weise entsteht ein unabschließbarer Prozess, mit Übergängen in neue Kontexte, geeignet, um mit all seinen Ein- und Ausblicken das Potential einer Meta-pher, das vorgreifende Wissen der Schüler freizulegen.Zu viele Köche verderben den Brei?Das Wiegen eines Säuglings, ein Fischschwarm, der bei einem Strandspaziergang beobachtet wird, zwei unterschiedliche Konzepte, sich dem Klavierkonzert von Rachmaninoff zu nähern. Was aber nun, wenn im Unterricht dreißig Schüler mit ih-ren Bildern Netze auf den Gegenstand werfen? Die dabei entstehenden Bilder sind verschieden und doch haben sie eine gemeinsame Mitte, kreisen sie um die Thema-tik: Kindheit, Melancholie, Einsamkeit, Rückblick. » Die Metaphern aller Völker (die-se Sprachmenschwerdung der Natur) gleichen sich, und keines nennt den Irrtum Licht und die Wahrheit Finsternis.« 61 Das Einwohnen in die Bilder der Mitschüler umstellt den Konzertsatz mit wech-selnden und sich ergänzenden Konzeptionalisierungen: » Durch die Verwendung al-ternativer Metaphern im gleichen Bezugsfeld wird die dominante Metaphorik wie-der in den ›Als ob‹-Status zurückversetzt und – sofern die neue Metaphorik bessere Erklärungsleistungen liefert – in ihrem Geltungsbereich eingeschränkt.« 62 Ist ein Bild in die Welt gesetzt, lässt es sich zwar nicht mehr auf eine Theoriesprache redu-zieren, doch offenbaren gerade die im metaphorischen Prozess refexiv angebunde-nen Begriffe jene Kreuzungspunkte, die den individuellen Blick zu einen gemein-sam erworbenen Besitz werden lassen: » Metaphern haben deshalb das vorletzte Wort in einer unbegreifbaren, aber deutbaren Welt, die kein letztes Wort kennt.« 63 Fertiggerichte im Unterricht Auch für Schüler gilt das Wahrheitsgebot, im täglichen Leben wie im Reden über Musik. Der Musikunterricht hält ihnen hierfür ein reichhaltiges außermusikalisches Imaginationsangebot bereit. Es ist der Duft von diesem frisch gebackenen Brot, der dem musikalischen Genuss füchtig vorauseilt, ihn allenfalls dabei begleitet und sich allzu häu g vor den zu erfahrenen Gegenstand stellt. Auch dieses Brot, das sich nicht aus dem eigenen Geist gründet, ist unverzichtbarer Bestandteil des vollen Ge-61 Jean Paul 1980, wie Anm. 5, S. 182.62 Bernhard Debatin, Die Modellfunktion der Metapher und das Problem der » Metaphernkontrolle”, in: Eine Rose ist eine Rose … Zur Rolle und Funktion von Metaphern in Wissenschaft und Therapie , hrsg. von Hans Julius Schneider, München 1996, S. 30–47, hier S. 99.63 Hörisch 2010, wie Anm. 21, S. 228f.