Metaphern sind » Brotverwandlungen des Geistes « 221 schmackserlebnisses und weckt sicher auch beim Leser verborgen geglaubte Kind-heitserinnerungen: Hier ist die Speisung fertig vom Lehrer angerichtet und es sind immer die gleichen Fertiggerichte, die für den Unterricht zubereitet werden: Futter für das Volk – eine Brotverwandlung des Geistes ndet dabei nicht statt. So durften bereits in der Grundschule ganze Schülergenerationen Symphonische Dichtungen von der Quelle bis zur Mündung verfolgen und sich auf eine orchestrale Wolfsjagd begeben. Schüler sind aufgewachsen mit diesen fremden, von außen herangetrage-nen Bildern in einem Unterricht der eindeutigen Konnotationen, wenn es darum geht, die angebotenen Pfade äußerer Eindrücke in der Musik zu verfolgen. Manch-mal tragen sie die Spuren dieser verlässlich geglaubten Bilder als einen bereits vol-ler Stolz erworbenen inneren Besitz auch an ihnen fremde Musik heran, der sie nach dem Hören dann konstatieren lässt: » Das Fagott ist immer der Großvater.« Schüler sind auch in anderen Fächern in dieser Landschaft des Benennens aufge-wachsen und auf der Suche nach solch objektivierbaren Sinnzuschreibungen. Sie dürfen sich zwar zeitweise wie ein Dichter bewegen: Eigene Assoziationen ausfal-ten, angebotene Fäden aufnehmen, weiterspinnen. Doch vornehmlich werden im Unterricht Imaginationsangebote an die Schüler herangetragen, die eine bestimmte Antwort erfordern, der Musik ein Sagen abpressen. Wolfgang Rihm wendet sich ge-gen diese » eindimensionale[n] Bilder « , die die Musik enteignen: » Musik wird ent-eignet. Wem gehört sie? Zuletzt eigentlich dem Hörer. Dieser enteignet also sich selbst, wenn er die Musik mit Bildern futet.« 64 Musik wird enteignet, wenn es eben diese vorgeformten Fremdbilder der Fertig-gerichte sind, die eine Musik futen – Musik kann aber zu eigen werden, wenn Schüler ihren eigenen Bildern nachspüren und sie dabei gleichzeitig in ihrer Be-grenztheit – in der Begrenztheit des perspektivischen Sehens überhaupt – erfahren dürfen. Reden über Musik: Unser täglich Brot gib uns heute?Robert Schumann sagt, dass Bach sein » täglich Brot « sei, » an dem er sich erlabe « ,65 dass er selbst » täglich vor Bach beichte, sich reinige und stärke.« 66 Das tägliche Brot ist Metapher für das Leben schlechthin: Es bildet die Voraussetzung für die Auf -rechterhaltung der körperlichen Existenz und wird damit Symbol für alles, was das Leben der Menschen ausmacht. Auch in der Brotbitte des christlichen » Vater unser « ist dieser doppelte Aspekt mit enthalten. » Sein Brot verdienen « , heißt der säkulari-sierte und heute grif ge Ausdruck dafür. Doch wird Musik nicht auch brotlos verstanden? Vollzieht sich Verstehen auch sprachlos, als » begriffslose Mitteilung « 67 einer begriffslosen Kunst? Haben wir es nicht gerade Hans Heinrich Eggebrechts Zugang zu verdanken, dass dieses ästheti-64 Wolfgang Rihm, Offene Enden. Denkbewegungen um und durch Musik, München 2002, S. 178. 65 Robert Schumann, Jugendbriefe, hrsg. von Clara Schumann, Leipzig 1885, S. 279.66 Robert Schumann, Briefe. Neue Folge, hrsg. von G. Jansen, Leipzig 1886, S. 151.67 Hans Heinrich Eggebrecht, Musik verstehen, München 1995, S. 23.