Metaphern sind » Brotverwandlungen des Geistes « 223 Das Reden über Musik als wesentlichste Vermittlungsform eines (gymnasialen und gymnasial-orientierten) Musikunterrichts hat seine Wurzeln in der Metho-dik der historischen Musikwissenschaft.71 Andererseits werden sich bei den musikbezogenen Interaktionsprozessen ge-wiss Fragen nach bestimmten handwerklichen Voraussetzungen stellen. […] Die Formen der Vermittlung wären zu diskutieren. Vielleicht bieten sich einge-schobene Phasen an, in denen man in kompakter Form und mit effektivsten Lernmethoden Wissensbestände aufbaut. Wichtig dabei ist, sich darüber im klaren zu sein, dass das so gespeicherte Wissen, nämlich vorrangig Wissen über musikalische Parameter, Formen, Kompositionsverfahren, geschichtliche Daten usw., nicht unabdingbare Voraussetzung für ästhetisch-musikalische Er-fahrungen ist, sondern zunächst mal der besseren intersubjektiven Verständi-gung im Musikunterricht dienen soll.72 Die Stoßrichtung erscheint klar. Das Musikmachen soll vom Reden darüber sepa-riert werden und manchmal bleibt dieses Reden auch gänzlich aus. Brot wird hier allenfalls als Beilage serviert, das Reden über Musik wird hier reduziert auf das, was dem unmittelbaren Musizieren dienlich ist, auf das Entwickeln einer sprachli-chen Kompetenz, die eine Kommunikation in Probensituationen ermöglicht: Was die Möglichkeiten wissenschaftlicher Durchdringung angeht, ist etwa in der Literaturwissenschaft ein wesentlich genaueres Methodenbewusstsein zu erfahren. Es mag damit zu tun haben, dass Musik so sehr ans ›Machen‹ gebun-den ist, dass auch das Denken und Verstehen von Musik stärker ans ›Hand-werkliche‹ gebunden ist als in anderen Künsten. […] Die Schwierigkeit stellt sich allerdings dann ein, wenn vor lauter Handwerkswissen der Blick auf das spezi sche ›Mehr‹ der Emergenz verstellt wird.73 Die Gründe für eine derartig allergische Reaktion liegen auf der Hand: Praktisches Musizieren prallt gegen eine störende, theoretisierende Begriffichkeit, die aus dem Weg geräumt werden möchte. Doch welche Potentiale gehen hier verloren, wenn Musik ohne Einsprüche der Worte austrocknet, wenn nicht ins Bewusstsein geho-ben wird, was an ihr berührt oder vielleicht auch einmal im Wege steht? Natürlich ließe sich in diesem Zusammenhang auch einwenden, dass sich das » täglich Brot « nicht ausschließlich wortsprachlich konstituieren muss. Jean Paul be-zieht sich in seiner Vorschule der Ästhetik auf das Reservat der Dichtkunst, Lakoff und Johnson haben diese Brotverwandlungen in der Alltagssprache gesucht und ge-funden. Brotverwandlungen des Geistes können sich auch in einem anderen Medi-um abspielen: Eine nonverbale Metaphorik über Musik zeigt sich in Bewegungsstu-71 Volker Schütz, Welchen Musikunterricht brauchen wir?, Teil 1: Einige Voraussetzungen, in: AfS-Magazin 1/1996, S. 3-8, hier Nachdruck S. 3.72 Ders., Welchen Musikunterricht brauchen wir?, Teil 2, Perspektiven eines brauchbaren Musikunterrichts, in: AfS-Magazin, 2/1997, S. 3–10, hier Nachdruck S. 5f.73 Holger Noltze, Die Leichtigkeitslüge, Hamburg 2010, S. 256f.