224 Jürgen Oberschmidt dien, im Tanz oder in einer bildnerischen Gestaltung zur Musik. Es bedarf nicht ein-mal der Transposition in ein anderes Medium. Musik kann metaphorisch auch auf sich selbst Bezug nehmen, etwa als unmittelbarer parakompositorischer oder im-provisatorischer Refex auf eine musikalische Primärerfahrung. Musikalische For-mung selbst lässt sich als ein metaphorischer Prozess beschreiben.74 Kunst ist eine Möglichkeit, die Welt – und auch andere Musik – metaphorisch in den Blick zu neh-men: » Vielleicht liegt der Wert der Musik darin: eine gute Metapher zu sein.« 75 Zum Abschluss: » Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt « (Joh. 4, 31)Zunächst scheint hier ein Lehrer seine geheimen Metiergeheimnisse zu rühmen. Sie sind Ausdruck einer Distanz, die den Wissenden im Musikunterricht vielleicht in besonderem Maße von seinen Schülern trennt. Dies ist allzu häu g auch im alltägli-chen Geschehen spürbar, wenn ein Lehrer in wichtigtuerischer Weise diese in einer distanzierenden Sprache zur Schau stellt und so letztlich die kulinarischen Offenba-rungen doch für sich behält: Der Schüler staunt dann über den vermuteten, ihm un-zulänglichen begriffichen Code, der nötig erscheint, um ein Werk zu entschlüsseln. Die zu verkündigende Botschaft soll jedoch allen zugänglich gemacht werden, schmecken und angenommen werden: » Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben « (Joh 6,33). Metaphern sind mehr als nur Futter fürs Volk, weil die sprachliche Kost der Be-griffe schwer verdaulich ist. Es sind vielmehr Worte, die durch ihre refexive Anbin-dung glaubwürdig erscheinen: Sie bieten hier einen Schlüssel für eine Speise, die sich jenseits dieser Begriffe verortet, nähern sich der geheimnisvollen Speise des Un-sagbaren, ohne dies anzurühren, auszusprechen und ermöglichen einen Ausblick auf das, was ohnehin nur vermutet werden kann. Und welchen Rat darf man nun den Unterrichtenden mit auf den Weg geben? Es geht nicht mehr primär darum, den Gegenstand nach seinen Vermittlungsqualitäten zu befragen oder im Vorfeld des Unterrichtes Horizonte für ein gemeinsames Ler-nen auszumachen. Die Schüler selbst sind es, die ihre Speise zubereiten: » Wer aber essen will, muss auch mit Hand anlegen.« 76 Derart konstruktivistische Zugänge fallen im Musikun-terricht besonders schwer. Hier wird der Lehrende nicht nur mit einer allgemeinen Pädagogik und einer Fachdidaktik konfrontiert. Sein Unterrichten ist von viel tiefer liegenden Spuren geprägt. Von dem, wie er selbst Musiklernen in seinem Instru-mentalunterricht als ausübender Musiker » im Sinne von ›wer handelt, denkt nicht‹« 77 erfahren hat. Als Instrumentalist oder Sänger im Chor hat er sich führen und lenken lassen (müssen), um dann später als praktizierender Ensembleleiter das 74 Christian Thorau, Metapher und Variation. Zur referenztheoretischen Grundlegung musikalischer Metaphori-zität, Zeitschrift für Semiotik, 25 (1–2), S. 109–124.75 Roland Barthes, Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt a. M. 1990, S. 285.76 Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, wie Anm. 42, S. 354.77 Gülke 2001, wie Anm. 70, S. 5.