Metapher und Topos in hermeneutischer Perspektive 229 das Wahrnehmungs- und Erkenntniskalkül einbezogen werden muss, als es der Cartesianismus je zugelassen hat. Dennoch ist der Vorwurf eines hermeneutischen Subjektivismus kraftlos. Wer glaubt – wie geschehen – die Hermeneutik habe nur eine Chance, » hoffähig « zu werden, indem sie sich mit dem Epitheton des » Objekti-ven « schmückt, ist nie Hermeneutiker gewesen. Es gehört zur zirkularen Erkennt-nismethodik der Verstehenslehre, dass sie im » hermeneutischen Zirkel « über ein In-strument verfügt, das gleicherweise überzogene Ansprüche des Objekts wie des Subjekts zurückweist.5. Vor allem geht es dem hermeneutisch-dialogischen Denken nicht um eine be-griffich und logisch xierte » securitas « , sondern um eine » certitudo « , also um Ge-wissheit und Sinnerschließung. Das Irritierende daran ist, dass es hier keine Wahr -heit für immer gibt. Jede Generation muss den Zuweg zu Goethe oder Beethoven neu erschließen. Das ist das Schicksal der Geisteswissenschaften. Repräsentatio semper reformanda est.6. Ich fasse in drei Linien das Gesagte zusammen. Es geht bei der Hermeneutik a) um das Zirkelhafte der Welt-, Kunst-, Glaubens- und Geschichtserkenntnis im dialogischen Prozess, der sowohl den subjektiven wie auch den objektiven An-spruch gleichermaßen relativiert und kontrolliert; b) um die Einsicht in die Ge-schichtlichkeit unserer Existenz, die zu ständig erneuter Applikation der Sinnsuche herausfordert; c) um das Demutspostulat dialogischen Denkens, das die subjektive Perspektive des Partners – und dazu gehört auch Musik – schon deshalb ernst neh-men muss, weil nach Martin Buber kein Ich ohne ein Du sein Selbst nden kann (Haltung!). Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass diese drei Parameter die Kernzone unseres fachlichen Denkens sein müssten. Sind sie aber offenbar nicht.II 1. Es lässt sich rätseln, worin die Faszination der Metapher zu suchen ist. Wenn man sich an Heidegger hält, der den Zusammenhang zwischen Metaphysik und Meta-phorik aufkündigen wollte, dann könnte man in der Renaissance der Metapher ein Zeichen für die Wiederkehr der Metaphysik erkennen.Das halte ich schon deshalb für zutreffend, weil ich die Musik selbst für eine symbolisch gehärtete Großmetapher halte und dabei Nelson Goodman nahe bin.3 Authentische Musik ohne metaphysischen Denkrahmen im neuplatonischen Sinn wäre für mich nicht lebensfähig. Begriffosigkeit und Wirklichkeit sind in Kunst und Musik keine Gegensätze mehr. Gerade Musik führt uns – mit Hölderlin gesprochen – in ein » Offenes « ohne Mauern. Sie ist – so gesehen – ein Symbol der Freiheit. Aus-gerechnet der halbierte Marxist und ebenso halbierte Atheist Ernst Bloch hat im ver-3 Nelson Goodman: Sprachen der Kunst, dt. Frankfurt 1995.