230 Karl Heinrich Ehrenforth gangenen Jahrhundert am deutlichsten erkannt, dass die Musik Ausdruck für » Über-schreitung « und » Vorschein der intensitätsreichsten Menschenwelt « ist.4 Bloch wusste vom transzendierenden Charakter der Musik mehr als viele Mu-sikrationalisten unter uns. Aber nur auf diesem Nährboden vermag auch eine auf Musik bezogene Metaphorik zu leben.2. Aber was ist denn nun eine Metapher? Als im Zweitfach studierter Literaturwis-senschaftler lebe ich mit der Einsicht, dass eine klar abgegrenzte Begriffichkeit der Metapher im Umfeld von Vergleich, Analogie, Emblem und Symbol ein Traum bleibt. Immerhin aber lässt sich die Metapher zwischen dem bloßem Wie-Vergleich und einem traditionsgefestigten Symbol relativ gut positionieren. Jeder Versuch ei-ner härteren Begriffsde nition wäre wohl auch ein Verlust an Freiheit. Ob dabei die Metapher mit dem Romanisten Wolfgang Kayser ein » uneigentli-ches Sprechen « ist – so in seinem einst vielgelesenen Buch mit dem Titel Das sprach-liche Kunstwerk 5 – ist fraglich. Vielmehr handelt es sich bei der Metapher um ein be-hutsam eingefremdetes Sprachbild, das uns anreizen will, ein Gegebenes aus ande-rem, neuem und ungewohnten Blickwinkel zu erkennen und zu deuten. Vorausset-zung dafür ist, dass die Distanz zwischen dem Gegebenem und der Metapher we-der zu groß noch zu klein ist. Nur der präzise kalkulierte Abstand zwischen beiden kann dem Rezipienten helfen und ihn ästhetisch herausfordern, ein Gewohnt-Gege-benes in neuem Licht zu sehen. So gesehen wird deutlich, dass das Problem einer musikvermittelnden Wort-sprache nicht gelöst ist mit irgendeiner mehr oder weniger unverbindlich-erlebnis-betonten Sprachbildlichkeit, wie sie von Wackenroder bis Mersmann praktiziert worden ist und wie sie assoziativ-phantasievolle Musikhörer vielleicht auch zustan-de bringen. Ich bin der festen Überzeugung, dass nur eine stärkere Verbindlichkeit der Sprachbildlichkeit weiterhelfen wird. Sie verhindert eine allzu verengte und da-her für die Verständigung mit anderen wenig brauchbare Bildwahl. Dies hindert nicht, dass etwa Schüler die Chance erhalten, ihre sehr persönlichen Bildeindrücke beim Hören von Musik sprachlich zu formulieren und niederzuschreiben. Aber das Gruppengespräch braucht gefestigte Sprachbilder. Sie sind von der Metapher zu er-hoffen.3. Mit der Metapher verbinden sich nach Paul Ricoeur » die schöpferische Kraft der Sprache und das heuristische Vermögen, das die Fiktion entfaltet, bewahrt und ent-wickelt.« 6 Ricooeur unterscheidet zwischen » semantischer Innovation « und » heuristischer Funktion « der Metapher. Die erstere spricht die » Ebene des Sinnes « an, die zweite die der » Referenz « .7 Verbrauchte und erkaltete Metaphern wie » Tonleiter « oder 4 Ernst Bloch: Überschreitung und intensitätsreichste Menschenwelt in der Musik. In: Das Prinzip Hoff-nung, hier zitiert nach: Zur Philosophie der Musik, Frankfurt/M. 1974, S. 280–333.5 Bern 1954, S. 124.6 Die lebendige Metapher, dt. München 21991.7 A.a.O. S. 10.