238 Bernhard Müßgens ein virtuoser tänzerischer Staffellauf zu Courand und Double aus der Partita Nr. 1 für Solovioline in h-Moll von Johann Sebastian Bach. Offen bleibt, warum diese dem Umfang nach knapp bemessene Auswahl auch noch eine Woche vor seinem Ge-burtstag aufgeführt und von einem » surprise program « eingerahmt wird (» nger-food, drinks and party inclusive « ), das den irritierenden Eindruck erweckt, van Ma-nens Ballette seien auf äußere Überraschungen angewiesen. Das Programm wirkt fast wie eine Faust aufs Auge zu jener noblen und zugleich durchaus bescheidenen Art des Auftretens dieses Ausnahmekünstlers in der Öffentlichkeit, das nicht auf Understatement, sondern auf der gleichen durch Lebenserfahrung gewonnenen spezi schen Balance durchaus divergierender Persönlichkeitsanteile beruht, die auch sein ein halbes Jahrhundert umfassendes Werk grundlegend von dem seiner Zeitgenossen unterscheidet.Van Manens Ballette erkennt man an ihrer Klarheit, ihrer deutlichen, nie zwie-spältigen Metaphorik und an einer tief verwurzelten und hoch aus dem Mythos des zeitgenössischen Tanzes herausragenden Humanität. Die Frage nach » Mythen und Metaphern des modernen Tanzes « bewegt auch Claudia Böttger (2003). Sie ndet in den Schriften Isadora Duncans, einer amerikanischen Pionierin des neuen Tanzes an der Wende zum 20. Jahrhundert, ein Dutzend Tanzmetaphern und erinnert an die gleichfalls amerikanischen Metaphernforscher George Lakoff und Mark Johnson, für die der menschliche Körper » in der Metapher selbst präsent « war. Lakoff und Johnson betrachteten nach Claudia Böttger Sprachmetaphern als » universelle kogni-tive Strategie « , die auf » körperlichen Erfahrungen basiert « .1 Mit Bezug auf deren Linguistik ndet Claudia Böttger in Isadora Duncans Schriften etwa die Container-Metaphorik wieder, eine zentrale Kategorie aus » Leben in Metaphern « .2 So » legen « wir etwa unsere Gefühle » in den Tanz hinein « . Weitere Metaphern in Duncans Tex-ten lauten: » Tanz ist Geben und Nehmen « , » Tanz ist Kommunikation und Sprache « , » … ist Produktion « , » … Kunst « , » … weiblich « , » … Teil der (lebendigen) Natur « , » … Naturwissenschaft « , » … physikalische Kraft « , » … Expedition « , » … Kampf « ,» … Religion « und » … Aufklärung « . Die nach Böttger am Beginn des 20. Jahrhun-derts für Isadora Duncan zentrale Metapher heißt » Tanz ist Revolution « ,3 Hans van Manens am Beginn des 21. Jahrhunderts in die Zukunft weisende Tanzmetapher lautet wie im Folgenden ausgeführt werden soll: » Tanz ist Gleichberechtigung « .» Metaforen « , zu Deutsch » Metaphern « , ist der Titel eines bisher leider nicht auf DVD veröffentlichten, Anfang Dezember 1965 in Den Haag uraufgeführten Balletts des damals gerade 33jährigen van Manen.4 Der 1932 nahe Amsterdam geborene 1 Claudia Böttger: Mythen und Metaphern des modernen Tanzes, Journal für Psychologie, 11, 4. Göttin-gen 2003, S. 389, online im Internet (abgerufen am 7.1.2012) unter http://www.ssoar.info/ssoar/ les/jfp/Jour403_ jfp_ 2003/Jour403_ jfp_ 2003_ 3_ Artikel.pdf.2 George Lakoff und Mark Johnson, Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, 4. Auf., Heidelberg 2004.3 Vgl. Claudia Böttger: Mythen und Metaphern des modernen Tanzes. S. 391f.4 An dieser Stelle sei der Stiftung Hans van Manen sehr herzlich gedankt, Herrn van Manen für sein Einverständnis, eine Aufzeichnung von » Metaforen « aus dem Jahre 1995 für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, sowie dem Vorstandsmitglied der Stiftung, Herrn Henk van Dijk, für seine geduldige Suche nach einer geeigneten Aufnahme von » Metaforen « im Videoarchiv des Niederländi-schen Nationalballetts.