Tanz als Metapher in Hans van Manens » Kammerballett « 239 zweite Sohnes eines deutschen Vaters und einer niederländischen Mutter ist zur Zeit der Entstehung von » Metaforen « seit fünf Jahren Chefchoreograf und künstleri-scher Leiter des noch jungen Nederlands Dans Theaters, das er in den folgenden Jahrzehnten durch manche Schwierigkeit hindurch zu einem der bedeutendsten Ballettensembles der Welt machen wird. Als Musik zu » Metaforen « wählt er 1965 die ›Variationen für Klavier und Streichorchester‹ von Jean-Yves Daniel-Lesurs von 1944. Der damalige Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und spätere ausgewiesene van-Manen-Experte, Jochen Schmidt, berichtet in seiner Kritik der Ur-aufführung von » kühle(n) Posen und Motionen « mit einer » sich drehenden Spiege-lachse als zusätzlicher Erschwernis « .5 Sieht man aus der (seit der Entstehung von » Metaforen « ) mehr als vier Jahrzehnte umfassenden Distanz eine Aufzeichnung der Wiederaufnahme durch das Niederländische Nationalballett von 1995,6 so nden sich neben deutlich neoklassischen Bewegungen, für die sechziger Jahre neuartige und psychologisch bereits erstaunlich klare, auch durchaus magische Momente, wenngleich mit van Manens ›klassisch-romantischen‹ Balletten der siebziger 7 und den wie in Diamant geschliffenen, kaleidoskopartigen Balletten ab den neunziger Jahren noch kaum vergleichbare Formen und Figuren.Die » Metaforen « bringen dafür den ersten Pas-de-deux zweier Männer, der wie Jochen Schmidt in seiner » Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts « von 2002 ausführt, » nichts Homoerotisches « hat, » des Choreografen persönliche Neigung zum eigenen Geschlecht, aus der er in Gesprächen und in seinem Verhalten nie einen Hehl « ma-che, sei » in sein Bühnenwerk nie eingefossen « . In Hans van Manens Balletten be-gegnen sich die Menschen – » also auch die Geschlechter – in vollkommener Frei-heit; seine Choreogra en fügen nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Frauen und Frauen und Männer und Männer zu Paaren zusammen, deren wichtigste Ei-genart die Professionalität ist.« 8 1987 schreibt Jochen Schmidt in seiner Monogra-phie über Hans van Manen von einer » Verwischung der Unterschiede zwischen speziell männlichen und speziell weiblichen Tanzformen « . Was er damit konkret meint, wird nicht ganz klar. Dass die männlichen Tänzer in » Metaforen « nicht nur » heben und tragen « , sondern auch (von Männern) gehoben und getragen werden » wie einst nur die Ballerina « 9 ist für die Mitte der 1960er Jahre neu, aber doch eher ein Versuch des jungen van Manen über die Gleichberechtigung zwischen den Ge-5 Jochen Schmidt, Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts in einem Band, Berlin 2002, S. 190. Vgl. auch Schmidt, Der Zeitgenosse als Klassiker. Über den holländischen Choreografen Hans van Manen, Köln 1987, S. 40.6 Vgl. Anm. 4.7 Ab 1970 wählt Hans van Manen neben Musik zeitgenössischer Komponisten wie Karlheinz Stockhau-sen (in » Mutations « , 1970), Terry Riley (» Snippers « , 1970), Luciano Berio (» Keep Going « , 1971), Igor Stravinsky (» Tilt « , 1972, » Collective Symphony « , 1975, » Ebony Concerto en een Tango « , 1976, » Con-cert voor piano en blazers « 1979), John Cage (» Twilight « , 1972) und anderen, Musik der Klassik und Romatik; Ludwig van Beethoven (in » Grosse Fuge « , 1971 und in » Adagio Hammerklavier « , 1973), Frédéric Chopin (» Ajakaboembie « , 1971), Wolfgang Amadeus Mozart (» Kwintet « , 1974), Robert Schu-mann (» Four Schumann Pieces « , 1975), Felix Mendelssohn-Bartholdy (» Octet opus 20 und » Lieder ohne Worte « , beide 1977), Joseph Haydn (» Unisono « , 1978), Franz Schubert (» Pemier Grand Trio « , 1978), Franz Liszt (» Live « , 1979) und viele weitere. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Voll-ständigkeit, vgl. für weitere Informationen dazu das Stichwort ›Repertoire‹ unter http://www.hans-vanmanen.com.8 Schmidt, Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin 2002, S. 193 (s. Anm. 5).