Tanz als Metapher in Hans van Manens » Kammerballett « 243 dieses System dominiert, nden in jeder Suppe ein Haar. Aktiviert wird es durch ne-gativen Affekt (A-). Unter dem Einfuss der Objekterkennung fühlen wir uns ängst-lich, schlecht gelaunt oder verärgert. Die Raumebenen in der Bewegung sind wie beim Absichtsgedächtnisses tendenziell getrennt, der Blick ist eng und auf ein klar erkanntes Objekt im Raum gerichtet, das Tempo anders als unter dem Einfuss des Intentionsgedächtnisses schnell oder beschleunigend, die Energie ungleichmäßig auf die Dauer der Bewegung verteilt, daher auch in einem unregelmäßigen Wechsel zwischen freiem und gebundenem Muskelspannungsfuss (›unruhig‹). Selbstwachstum und Persönlichkeitsentwicklung erfordern nach Julius Kuhls Persönlichkeits-Systeme-Interaktionstheorie die Kontaktaufnahme und Verbindung von Objekterkennung (d. h. dem Fokussieren auf neue, auch schmerzliche Erfah-rungen) und Selbstintegration durch das Extensionsgedächtnis (dem An-sich-Her-anlassen solcher Erfahrungen). Die Regulation von Angst, Unwohlsein und Schmerz einerseits und Trost und Selbstberuhigung andererseits ermöglicht Zugän-ge zum Extensionsgedächtnis und zum Selbst. Ein inneres Pendeln zwischen Ob-jekterkennung und Extensionsgedächtnis bewirkt, dass wir aus unguten Erfahrun-gen wichtige Einsichten gewinnen und nachhaltig lernen. Das Aushalten von nega-tivem Affekt (anstatt die unangenehme Erfahrung zu verdrängen, zu beschönigen oder zu leugnen) und das selbständige Herunterregulieren unangenehmer Gefühle bei Selbstkontakt (etwa durch Sinnstiftung oder Bewältigungshandlungen) fördert die persönliche Entwicklung. Der Wechsel zwischen intuitiver Verhaltenssteuerung (Freude) und Intentionsgedächtnis (Enttäuschung) ermöglicht es, sich langfristig auch schwierig zu erreichende Ziele zu setzen. Die vier Systeme der Persönlich-keitsdynamik und die mit ihnen verbundenen gegensätzlichen Affekte konkurrie-ren demnach miteinander. Man vermutet, dass der Antagonismus zwischen Ab-sichtsgedächtnis und intuitiver Ausführungsregulation wie auch der zwischen Ob-jekterkennung und Selbstwahrnehmung auf der Notwendigkeit eines Hemisphä-renwechsels beruht. Der Wechsel zwischen gegensätzlichen Affekten und Stimmun-gen erleichtert diesen Wechsel der Hirnhemisphären. Wir balancieren demnach gleichsam mit unseren dialektisch aufeinander bezogenen, divergierenden und oft sogar widersprüchlichen Gefühlen und Emp ndungen im Prozess der Persönlich-keitsentwicklung zwischen diesen Systemen und verbessern und verstärken damit die Kommunikation und Interaktion zwischen ihnen.Die folgende Gra k stellt (zur besseren Übersicht stark vereinfachend und daher möglicherweise in Details missverständlich 13 ) die vier persönlichkeitsrelevanten Er-kenntnissysteme dar und ordnet ihnen Körperbewegungsdimensionen und die ih-13 So wird z. B. in der nachfolgenden Gra k der Bewegungsfaktor » Zeit « der rechten Hemisphäre zuge-ordnet, im Alltagsdenken aber öfter der linken Hemisphäre und damit der rechten Körperseite zuge -sprochen. Die linkshemisphärische Regulation komplexer musikalischer und sprachlich vermittelter Rhythmen ist hier aber nicht gemeint. Vielmehr geht es um die zehn elementaren und angeborenen Spannungsfussrhythmen nach Judith Kestenberg (vgl. Fußnote 14), die allerdings bei komplexeren musikalischen und sprachlichen Zeitstrukturen noch als Bewegungsantriebe und Motive zur Bewe-gung zu erkennen sind. Die Synchronisation komplexer rhythmischer Strukturen wird z. B. beim ge-meinsamen Musizieren oder Tanzen wiederum von präfrontalen rechtshemisphärischen Strukturen, also im PSI-Modell nach Julius Kuhl vom Extensionsgedächtnis geleitet, was erklärt, warum gemein-sames Musizieren auf einer vertrauensvollen zwischenmenschlichen Basis am besten gelingt.