248 Bernhard Müßgens nen‹« .16 Die Handlung eines gegenüber wird verstanden, wenn sie » eine Resonanz im motorischen System des Beobachters hervorgerufen hat « :17 Will heißen: Wir ver-stehen uns und andere und auch die psychophischen Wirkungen von Musik erst vollständig unter Berücksichtigung unseres ganzen Körpers. Die Hirnforschung legt überdies nahe,» dass der Körper das Orchester ist, mit dem unsere Psyche unsere Emotionali-tät spielen lässt. Und zugleich die Bühne, auf der unsere Gefühle tanzen und singen. Ohne Körper gäbe es keine Gefühle. Unsere Wahrnehmung dieser Tän-zer, Sänger und Musiker sind dann unsere Gefühle. Natürlich be ehlt unsere Psyche dem Körper, die dem Gefühl entsprechenden Zustände einzunehmen und Prozesse ablaufen zu lassen, so wie der Dirigent seinen Musikern be ehlt, der Choreograf seinen Tänzern und der Regisseur seinen Schauspielern. Und doch gibt es nichts zu sehen und zu hören ohne die Akteure auf der Bühne. Unsere Psyche ist zugleich Zuschauer und Zuhörer, auf die Musik, Tanz und Spiel einen großen Eindruck machen. Sie ist ganz erfasst von dem Treiben auf der Bühne und prägt es sich gut ein. Eingetaucht in die Welt der Emotionen färben diese ihr Erleben und Be nden in großem Ausmaß. Wendet sich der Blick der Psyche nun der zweiten Bühne zu, die eigentlich ihre Gefühle ausgelöst hat – der Außenwelt –, so hat sie zwar primär keinen Ein-fuss auf deren Dramaturgie, aber sie erlebt das Außenwelt-Drama durch ihre Gefühle verändert, ausgestattet mit der sicheren Bewertung ihrer Emotionen, mit ihrer Hilfe den einzelnen Personen und deren Verhalten die Bedeutung ge-bend, die ihr ihre Gefühle geben. Die Psyche entwirft einen Plan für ihr Verhal -ten im Improvisationstheater der Außenwelt. Die Idee zu diesem Plan kommt aus der Kiste, in der die Kostüme für bestimmte Rollen lagern. Einige Rollen drängen sich angesichts der emotionalen Bedeutung der Situation auf. Eine wird ausgewählt, diejenige, die bei allen bisherigen Theateraufführungen die größten Erfolge erzielte. Doch ohne Probe geht es nicht. Mental wird jetzt das geplante Rollenverhalten durchgespielt, alles wird in einem mentalen Szenario so erlebt, als ob es Wirklichkeit wäre. Und dazu wird natürlich wieder die Büh-ne der Gefühle zu Hilfe genommen. Die Vorstellung, so und so zu handeln, lässt den Körper tanzen, singen, musizieren und spielen. Körperzustände und -aktivitäten schaffen eine Emotion, die von der Psyche wahrgenommen, als so-matischer Marker eine klare Botschaft zugunsten oder zuungunsten des ge-probten Rollenverhaltens vermittelt. Entwickeln sich daraus angenehme Ge-fühle, entsteht eine Handlungsmotivation, sind es unangenehme Gefühle, wird dieses Verhalten vermieden. Wenn keine Vermeidung möglich ist, wird es 16 Serge K. D. Sulz, Gehirn Emotion und Körper, in: Serge K. D. Sulz u. a., Die Psychotherapie entdeckt den Körper. Oder: Keine Psychotherapie ohne Körperarbeit? München 2005, S. 19.17 Ebd., S. 20.