Tanz als Metapher in Hans van Manens » Kammerballett « 249 halbherzig oder zaghaft ausgeführt, mit entsprechend wenig positiver Wir-kung.« 18 Werden aber negative Affekte ausgehalten, ohne sie zu leugnen, zu beschönigen oder zu verdrängen, so wächst und reift die Persönlichkeit ein Leben lang. Dabei helfen Musik und Tanz.Der nun folgende Textabschnitt konzentriert sich auf einen, wenn auch kurzen, Abschnitt aus Hans van Manens » Kammerballett « , uraufgeführt am 14. September 1995 durch das Nederlands Dans Theater, Den Haag. Als Musik dazu wählte Hans van Manen aus Kara Karayevs 24 Klavier-Präludien die Nummern 1, 2, 3 und 5, Do-menico Scarlattis Sonate in C Dur, K. 159, John Cages Klavierstück » In a Landscape « und die Scarlatti-Sonate in h-Moll, K. 87: Andante.19 Über die Entstehung von » Kammerballett « gibt der Choreograf in einem Interview Auskunft, das zusammen mit einer Videoaufzeichnung des Werks in einer Version aus dem Jahr 2001 veröf-fentlicht wurde und auf DVD erhältlich ist. Van Manen bestätigt in dem ganz unge-zwungenen, sehr sympathischen Interview die herausragende Bedeutung der Mu-sik für sein Werk. Er spricht auch von den Hauptpersonen im Schlussteil von » Kam-merballett « , Sol León und Paul Lightfoot, über Bühne und Dekoration von Keso Dekker und über die Bedeutung des Pas-de-deux für sein Gesamtwerk. Am Ende des Interviews klingen Gedanken an über das, was ich oben als ›emotionale Dialek-tik‹ und als Gleichberechtigung aller Emotionen und Affekte bezeichne.Interviewer: » Kammerballet ist ein besonderes Werk « .Hans van Manen: » Ja, ich bin damit sehr zufrieden. Musik ist für mich sehr wichtig. Ich sollte ein Ballett für acht Leute machen (macht eine Pause und denkt nach, Anm. d. Verf.). Neun, es sollte für… Egal, es sollte für einige Leute sein. Das war der Auftrag vom NDT 1 (Nederlands Dans Theater I, A. d. Verf.). Und so suchte ich nach Musik. Es sollte im September fertig sein. Ich hatte schon überlegt, aber noch keine konkrete Idee. Dann fuhr ich mit Henk, meinem Partner, durch die Berge in der Provence. Ich hörte wunder-schöne Klaviermusik. Ich wusste, das Ballett sollte für's Klavier werden. Wenn es kein Orchester gibt, musst du es aufnehmen oder live machen. Ich liebe das Klavier, es ist melodisch und rhythmisch. Wir hörten die Musik und ich dachte: Fantastisch. Dann knackte das Radio und die Musik war weg. Ich rief zu Henk: Gib Gas! Und er fuhr bestimmt 180, um über die Ber-ge zu kommen, und dann war die Musik wieder da. Wir hielten an oder fuh-ren sehr langsam weiter. Dann kam der Name: John Cage. Eine unglaublich schöne Musik. Und ich hatte sie. Dann war es einfach, den Rest zu nden. Ich habe Scarlatti immer verehrt. Und die Musik fügte sich perfekt ein. In diesem Fall war es nicht nur die Musik. Tänzer sind auch sehr inspirierend. 18 Sulz, Gehirn Emotion und Körper, in: Serge K. D. Sulz u. a., Die Psychotherapie entdeckt den Körper. Oder: Keine Psychotherapie ohne Körperarbeit? München 2005, S. 20 (s. Anm. 16).19 Vgl. hierzu das Stichwort Repertoire unter http://www.hansvanmanen.com