Tanz als Metapher in Hans van Manens » Kammerballett « 251 Der Abschnitt beginnt mit einem Moment der Ruhe und Stille bei 18:43 Minuten, unmit-telbar vor dem Einsatz der h-Moll Sonate von Domenico Scarlatti, also des letzten Musik -beispiel des Balletts.22 Die in der Mitte des Bühnenovals stehende, schwarz gekleidete Tän-zerin Sol León beKndet vor dem Halbrund des Ensembles, das sich in diesem Moment auf die von Hans van Manen erwähnten Hocker setzt. Alle sieben Mitglieder des Ensembles sit-zen in lockerer, aufrechter Position mit geschlossenen Füßen und Beinen. Die Hände ruhen entspannt auf den Vorderseiten der Hocker. Die Haltung der Arme im gebundenen Fluss ist an den leicht gebeugten Ellbogen erkennbar. Alle schauen in Richtung Kamera. Aus der Ka-meraposition nicht zu sehen ist die mittlere sitzende Tänzerin des Ensembles. Sie wird in diesem Moment von der Solistin verdeckt.Ruhige Bewegungen und Bewegungslosigkeit im gebundenen Fluss deuten in einer syste-matischen Bewegungsbeobachtung entsprechend der oben wieder gegebenen GraKk 23 auf einen bestimmenden Einfuss des Intentions- oder Extensionsgedächtnisses als handlungs-leitendem System. Im Modus der beiden präfrontalen Erkenntnissysteme sind wir entweder entspannt, zugleich umfassend achtsam und aufmerksam (rechtshemisphärisch präfrontal, unter dem Einfuss des Extensionsgedächtnisses), oder im gebundenen Fluss muskulär an-gespannt und innerlich mit einer zuvor gefassten Absicht oder mit der Bildung eines Ziels beschäftigt (linkshemisphärisch präfrontal, unter dem Einfuss des Intentionsgedächtnisses). Die lockere Haltung der Arme des Ensembles und die mit ihr verbundene leichte seitliche Ausweitung der Körperform aller Ensemblemitglieder spricht für einen erhöhten Anteil des Extensionsgedächtnisses. Das Ensemble ist in der Abstimmung seiner Bewegungen ange-wiesen auf eine umfassende Achtsamkeit aller seiner Mitglieder. Der Augenfokus ist weit, die Horizontale betonend, aus der wache Aufmerksamkeit, Kommunikationsbereitschaft und Umsicht sprechen. Die Haltung der Solistin, ihre im Stand eng an die Hüften angelegten, leicht nach außen gedrehten Hände und ihre ein wenig nach hinten gezogenen Schultern, zeigen einen gebundenen Muskelspannungsfuss und entsprechend erhöhten Anteil des Ab-sichtsgedächtnisses. In Gedanken antizipiert sie vermutlich ihr nun folgendes, hoch komple-xes Solo. Die den Beginn des Solos begleitenden weit kreisenden und die Köpfe seitlich leicht neigenden Drehbewegungen aller Ensemblemitglieder unterstützen die Hypothese, nach der Ruhe und Bewegungslosigkeit des Ensembles am Beginn auf dessen bei niedriger Intensität gespannte und dabei umsichtige Achtsamkeit schließen lassen. Diese synchrone Kopf-drehung aller Ensemblemitglieder verbindet und integriert die drei Raumebenen Horizonta-le, Vertikale und Sagittale und betont die Horizontale. Gemäß unserer GraKk 24 ist der Ein-fuss des Extensionsgedächtnisses auf das Bewegungsverhalten außer durch die Integration aller Raumebenen an Bögen, Kreisen und Spirallinien als bevorzugten Raumwegen des Kör -pers und aller Körperteile im Raum zu erkennen. Die Horizontale repräsentiert in der Di-mension » Raum « unter anderem den zwischenmenschlichen Beziehungsaspekt als Bewe-gungsantrieb. So wird durch die Kopfbewegungen aller Ensemblemitglieder in einer weiten, alle Raumdimensionen verbindenden und die Horizontale hervorhebenden Kreisbewegung 22 Sonate in h-Moll, K. 87: Andante. Die folgenden Zeitangaben richten sich nach der bei Arthaus Musik veröffentlichten Aufnahme aus dem Jahr 2001 mit dem Titel » Hans van Manen: Het Nationale Ballet – Nederlands Dans Theater « .23 Vgl. Gra k S. 5.24 Vgl. Gra k S. 5.