Von der Musik zur Erfahrung von Welt und aus der Welt ins Innere der Musik 265 Die Erzählung » Ein Sommertraum « als (pädagogische) Metapher Was Brahms’ Komposition mit der Erzählung über das Musizieren (der Zigeuner) verbindet, beschreibt – als übergeordneten, allgemeinen Begriff – eine bestimmte Art der Kommunikation zwischen mehreren Menschen. Es handelt sich um eine Art von Kommunikation, die von Improvisation, Suche, Ausprobieren, Zufälligkeit ge-prägt ist, auch von Vertrautheit zwischen den Beteiligten und von ähnlicher musika-lischer Veranlagung: Sie sind alle Meister auf ihrem Instrument, erfahren in der Im-provisation, vertraut mit ungarischer Folklore. Das ist es, was sowohl die Musik als auch die Erzählung mitteilen. Wie meine Geschichte das Musizieren der fünf Volksmusikanten beschreibt, hat Brahms in Mu-sik gesetzt – vom suchenden, quasi improvisierenden Anfang über das freie, virtuo-se Musizieren, das sich streng an einem Kernmotiv orientiert – bis zum sich aufö-senden Schluss, der das Ende der Einleitung wieder aufnimmt. Formal ereignet sich folgendes:Das Besondere einer Komposition – nämlich eine auskomponierte Musiziersitua-tion (das ist jedenfalls meine Interpretation der Musik) – wird übertragen auf die Er-zählung dieser Situation. Was beide Arten der Darstellung verbindet, ist der allge-meine Begriff von Kommunikation in der besonderen Weise der Zufälligkeit, des Suchens, der gegenseitigen Anregung … Unschwer ließe sich dieser Begriff als The-ma anderer Geschichten nutzen – etwa für Gesellschaftsspiele, für Verhalten im Sport, für Stegreifdichtung.Die Tatsache, dass die metaphorische Erzählung im Metier der Musik bleibt, ist der pädagogischen Absicht geschuldet, Komponieren als Darstellung des freien Mu-sizierens deutlich zu machen. In einem Unterricht könnte das hier vorgeführte Prin-zip der improvisierenden, gegenseitig sich anregenden Kommunikation, ohne Schwierigkeiten auf andere Lebens- oder Handlungsbereiche übertragen, vor allem aber im eigenen Musizieren erprobt werden.An diesem Beispiel kann deutlich werden, wie die Übertragung einer Sache (ei-ner Begebenheit, eines Vorgangs …) in eine andere Mitteilungs- oder Darstellungs-art (in ein anderes Medium) hinübergetragen werden kann – eine strenge Komposi-tion in eine freie Lebenssituation – nach der Regel der Versetzung eines Verstehens-konzept in ein anderes Verstehenskonzept (s.o. bei Lakoff/Johnson).Dieser Versuch eröffnet oder fördert Erfahrungen darüber, was Kommunikation, was musikalische Kommunikation und was improvisierend-gegenseitige musikali-sche Kommunikation sind.Die metaphorische Übertragung ndet in zwei Richtungen statt:a)Mit Hilfe des Begriffs der improvisierten Kommunikation verstehe ich die Komposition von Brahms (besser).b)In der Beschäftigung der Komposition von Brahms erfahre ich etwas über improvisierte Kommunikation.