272 Christian Thorau lung Die paradoxe Metapher fort, die postanalytische und dekonstruktionistische An-sätze der 1970er und 1980er Jahre für die deutschsprachige Diskussion greifbar machte. Zugleich brachten die 1990er Jahre einen Zuwachs an neuen metaphern-theoretischen Ansätzen im deutschsprachigen Bereich, die klassische Ansätze wie-der aufgriffen, systematisierten und weiterentwickelten (Debatin, Strub u. a.).2 Für mich wurde der kunstphilosophische Ansatz von Franz Koppe richtungweisend, weil er ausgehend von Nelson Goodman einen zeichentheoretischen Weg eröffnete, der die nichtsprachliche Verkörperungsfunktion von Metaphern hervorhob und da-mit direkt anschlussfähig an musikalische Fragen war. Dass Goodmans Languages of Art 1995 in einer hervorragenden Neuübersetzung erschien, gab der Diskussion in Deutschland neuen Auftrieb und war für mein Projekt eine glückliche Fügung.Im Folgenden diskutiere ich meinen Ansatz vergleichend mit den Ansätzen von Robert Hatten, Lawrence M. Zbikowski und Michael Spitzer. Die vier Theorieoptio-nen verbindet, dass sie im Wesentlichen zwischen 1995 und 2005 entstanden und mehr oder weniger unbeeinfusst voneinander unterschiedliche Lösungen für das Problem der Übertragung von Metapherntheorie auf musiktheoretische und musik-analytische Fragestellungen entwickelten. Bei diesem Vergleich zeichnen sich nicht nur verschiedene Tendenzen und Intentionen der Ansätze ab, sondern auch, dass die Verschiebungen und Überlagerungen, die zwischen der musikbezogenen Meta-pherntheorie und der » originären « Metaphernforschung entstehen, als äußerst fruchtbare Ungleichzeitigkeiten angesehen werden können. Metapherntheorien ins-gesamt und in ihrer Anwendung auf Musik lassen sich wohl weder zu einer Synthe-se zusammenführen noch irgendwie synchronisieren. Dieser Umstand darf gerade für den musikologischen Zugang grundsätzlich als Vorteil bewertet werden, da er nicht mit der Aufgabe belastet ist, eine einzelne Theorie auf Musik anzuwenden, sondern gerade von der Heterogenität und Pluralität der Theorien pro tieren kann.Das wird auch an den Verschiebungen zwischen englisch- und deutsch-sprachiger Forschung deutlich. Während im angelsächsischen Raum die Diskussion mit den Büchern von Lawrence Zbikowski und Michael Spitzer bereits ihren Zenit überschritten hat, zeigt das Osnabrücker Symposium von 2011, dass sich das Thema unabhängig von wissenschaftlichen Trends und Moden weiter entwickelt. Das gilt besonders für die jüngeren Arbeiten von Gerhard Schmitt und Jürgen Ober-schmidt,3 die das Thema multidisziplinär aufgearbeitet und in Bereiche wie zeitge-nössische Musik, musikalische Emotion und Musikpädagogik hineingetragen ha-ben, die in englisch-amerikanischen Publikationen gar keine oder nur eine geringe Rolle spielen.2 Vgl. den Überblick bei Elizabeth Neswald, Und noch mehr über Metaphern? Zur Metaphernforschung der 90er Jahre, in: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 23 (1998), S. 259–277, und Franz Koppe, Die ver-körperte Metapher. Eine kunstphilosophische Perspektive im Anschluß an Nelson Goodman, in: Deut-sche Zeitschrift für Philosophie 43 (1995), S. 743–749.3 Gerhard Schmitt, Musikalische Analyse und Wahrnehmung : Grundlegung einer interdisziplinären Systema-tik zur semantischen Analyse von Musik und Sprache, dargestellt an ausgewählten Beispielen zeitgenössischer Klangkunst, Osnabrück 2010; Jürgen Oberschmidt, Mit Metaphern Wissen schaffen: Erkenntnispotentiale metaphorischen Sprachgebrauchs im Umgang mit Musik, Augsburg 2011.