Metapherntheorie als musikologisches Refexionsmodell 273 Metaphern, Metaphernbegriffe oder Metapherntheorien in musikalische Fragestel-lungen einzuführen und für ihre Diskussion fruchtbar zu machen, berührt ein grundsätzliches Problem, zu dem man sich je nach Intention und gewählter Theorie unterschiedlich verhalten kann: die Übertragbarkeit metapherntheoretischer Ansät-ze auf musikalische, nichtsprachliche Zeichenformen und -konstellationen. Es macht einen großen Unterschied, ob man Metaphern als sprachliche Beschreibungs-form über Musik ansieht oder versucht – wie Robert Hatten bereits 1995 – Meta-phern in der Musik zu beschreiben. In der sprachorientierten Perspektive wird die Metapher als eine Funktion der Sprache gesehen, als ein Phänomen der Zeichenver-wendung, das nur in verbalen bzw. begriffichen Zeichensystemen möglich wird. Das Wort ›Metapher‹ bezeichnet im engeren Sinne sprachlich-verbale Aussagen, die in einer bestimmten Weise strukturiert sind und in einer spezi schen Weise verstan-den werden. Metaphern in Bezug auf Musik entstehen also nur, wenn sprachliche Beschreibungen zu Musik und zur Musikerfahrung hinzutreten.So gesehen hat Musik selbst nichts mit Metaphern zu tun, Metaphern werden in der und durch die Sprache erzeugt. Während eine solche Position einen engeren, quasi buchstäblichen Metaphernbegriff zugrunde legt, ist die Rede von Metaphern in der Musik, von » musikalischen Metaphern « , technisch gesprochen von » sound-ing mappings « und » klingenden Projektionen « , immer bis zu einem gewissen Gra-de metaphorisch. Doch es gehört bereits zu den zentralen Einsichten der Meta-pherntheorien, dass die Vorstellung eines buchstäblichen Begriffs der Metapher als solche problematisch ist. Die Metaphernbegriffichkeit begleitet von ihren Anfängen her das Problem, selbst metaphorisch basiert zu sein (metaphérein heißt hinüber tra-gen).4 Das Problem verdoppelt und verkompliziert sich also, wenn es aus dem Sprachbereich in andere Felder hinüber getragen wird. Allerdings sind der buch-stäbliche und der übertragene Metaphernbegriff wiederum eng verbunden. Die Übergänge sind fießend, wenn man bedenkt, dass eine metaphorische Beschrei-bung ein Sprechakt ist, der ein Stück Musik verändern kann, indem er das Gehörte metaphorisiert, und umgekehrt ein Stück mit starker interner metaphorischer bzw. metaphernähnlicher Struktur die Metaphorik der beschreibenden Sprache heraus-fordern oder provozieren kann. Auf die Beschreibung einer solchen Metaphorizität von Musik zielt mein Ansatz, auf den ich zum Schluss zurückkommen werde.Tropologischer Ansatz (Hatten)Robert Hattens Ansatz lässt sich als tropologische Theorie der musikalischen Meta-pher charakterisieren.5 Sie bewegt sich auf dem Terrain der Zeichentheorien von Charles Sanders Peirce und Umberto Eco einerseits und auf einer Theorie musikali-scher Bedeutung andererseits, die Hatten 1994 um das aus der Linguistik übernom-4 Vgl. u. a. Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol, 4. Auf., Göttingen 1997, S. 7 und Anselm Haver-kamp [Hg.], Theorie der Metapher, 2. Auf., Darmstadt 1996, Nachwort zur Neuausgabe, S. 500f.5 Robert Hatten, Metaphor ›in‹ Music, in: Musical SigniKcation: Essays in the Semiotic Theory and Analysis, hrsg. von Eero Tarasti, Berlin 1995, S. 373–391.