Metapherntheorie als musikologisches Refexionsmodell 279 durch » musical concepts « wahrgenommen und als » conceptualizing music « selbst konzeptualisierend arbeitet und auf diese Weise verstanden wird.Systemisch-metaphorologischer Ansatz (Spitzer)Auch Michael Spitzers Music and Metaphorical Thought 14 ist als Neuentwurf von Mu-siktheorie auf der Basis der kognitionswissenschaftlichen Metapherntheorie ange-legt. Kernstück seiner Übertragung bzw. Erweiterung von Metapherntheorie ist die Kombination des Lakoff/Johnson-Ansatzes mit der Theorie von Paul Ricoeur (La métaphore vive, 1975, engl. 1978). Spitzer gelingt es, beide Theorien als gegenläu ge, spiegelsymmetrische Matrix aufeinander zu beziehen:Abb. 3: Bidirektionales Modell der musikalischen Metapher (Zit. n. Spitzer 2004, S. 100.)In dieser Matrix wird einerseits deutlich, wie aus den durch elementare körperliche Erfahrung bestimmten Schemata (» experiential image schemata « ) über » intramusi-cal « und analytische sowie über » cross-domain « und kulturell gesteuerte Metapho-risierungen die Musik als ein » metaphorical body « konzeptualisiert wird (linke Sei-te).15 Diese Richtung führt, so Spitzer, vom Leben bzw. von seinen durch Konzep-tualisierungen ermöglichten Zugriffen in die Musik, während die Gegenrichtung von den poetischen Texten (» poetics « ), sei es Literatur, Musik oder Kunst in das Le-ben führt. Die Theorie Paul Ricoeurs kann dazu dienen, diese Gegenrichtung zu ver-stehen: den Einfuss von der Kunst auf das metaphorische Denken, also von der Sei-te des Textes, der poetischen Figur und des Werkes auf die Konzeptualisierungen. Für Ricoeur haben wirkungsvolle, » lebendige « Metaphern der Sprache eine ästheti-14 Spitzer, Michael, Music and Metaphorical Thought, Chicago 2004.15 Spitzer entwickelt hier eine weitere komplexe Matrix des Zusammenhangs von intra-musikalischen, analytischen, cross-domain und kulturellen Konzeptualisierungen zu » systemic metaphors « , die für den Wandel des Musikverständnisses grundlegend sind. Danach lassen sich in einer historischen Me-taphorologie zunächst die drei Grundebenen tonaler Musik – Harmonik, Rhythmus und Melodie – den kulturellen, systemischen Metaphern » Musik ist Malerei « , » Musik ist Sprache « und » Musik ist Le-ben « (im Sinne der Organismusmetapher eines lebendigen Ganzen) zuordnen; diese sind wiederum über die basalen » experiential image schemata « (Zentrum-Peripherie, Teil-Ganzes, Quelle-Ziel) mit musikgeschichtlichen Epochen zu verbinden: Harmonik-Malerei bestimmt das kompositorische Den-ken im Barock, Rhythmus-Sprache die Musik der Klassik und die organistische Melodie-Leben-Meta-pher ist in der Romantik systemisch, vgl. Spitzer 2004, S. 54–60.