280 Christian Thorau sche Qualität, insofern sie sich durch interne Spannung (» tension « ) auszeichnen (dem für Metaphern typischen Widerspruch zwischen ›ist‹ und ›ist nicht‹) und da-durch selbst eine eigenständige Körperlichkeit erzeugen. Diese Qualitäten begrün-den einen ähnlichen Bereich vorbegrifficher Erfahrung wie Lakoff/Johnsons in der Körpererfahrung verwurzelten » image schematas « und bringen einen » gural body « hervor, sei es in der Literatur, der Musik oder in anderen Künsten. Mit dieser Übertragung und der bidirektionalen Anlage überwindet Spitzer die Einseitigkeit und Unidirektionalität des kognitionswissenschaftlichen Ansatzes, der davon aus-geht, dass die Übertragungen (» mappings « ) grundsätzlich von den » conceptual me-taphors « auf die Musik laufen, dass also Denken Musik organisiert und nicht umge-kehrt.16 Spitzer dreht das Theoriemodell um 180 Grad: » Music becomes a source, rather than a target, for mapping.« 17 Das Ergebnis ist ein Modell der wechselseiti-gen Projektion, wie sie für ästhetische Wahrnehmung und Erfahrung im Hören und Sehen typisch ist: » the force of an aesthetic text impinges on our lives to the same, yet contrary, extent that we project our lives upon aesthetic texts through conceptual meta-phor. […] ›Seeing as‹ and ›hearing as‹ effects are as active in poetics as they are in conceptualization, but in opposite directions. Whereas conceptual metaphor redescribes music, the poetic metaphors of art music redescribe the world.« 18 Die bidirektionale Disposition seines Ansatzes versetzt Spitzer in die Lage, Musik wechselweise als Ziel- und/oder Quellbereich von Metaphorik anzusehen und so-mit sowohl Grundlagentheorie und Metaphorologie zu betreiben als auch analy-tisch von musikalischen Strukturphänomenen auszugehen. Das De zit an ästheti-scher Relevanz, das für die » conceptual metaphor theory « charakteristisch ist, gleicht er durch die rhetorisch-hermeneutische Metapherntheorie Ricoeurs aus. Da-mit wird, um der musikologischen Anwendung Willen, die Gleichzeitigkeit von Theorieoptionen selbst zur Grundstruktur für einen neuen Ansatz. Semiotisch-heuristischer Ansatz (Thorau)Mein Ansatz hält, ähnlich wie Hatten, am Paradigma des Zeichens fest und strebt auch keine Neuformulierung von Musiktheorie oder Musikanalyse an. Seine Aus-richtung ist semiotisch-analytisch und zielt auf eine Heuristik musikalischer Meta-phorizität, die für verschiedene musikanalytische Fragestellungen als Refexionsmo-dell dienen kann. Allerdings setze ich, ähnlich wie Michael Spitzer auf Ricoeur zu-rückgreift, erneut bei klassischen Theorien der Metapher an und erhalte durch eine sich ergänzende Kombination von Max Blacks Interaktionstheorie mit Nelson 16 Spitzer verweist hier auf Eve Sweetser (From Etymology to Pragmatics: Metaphorical and Cultural Aspects of Semantic Structure, Cambridge 1990), die diese Unidirektionalität besonders betont hatte, vgl. Spitzer 2004, S. 78.17 Ebd.18 Ebd., S. 100f.